.

von den wURzeln zu den blättERn

 

かたつむり そろそろ登れ 富士の山

katatsumuri / sorosoro nobore / fuji-no yama

die kleine schnecke
schritt für schritt steigt sie hinauf
auf den fuji-berg

KLEIN ABER OHO
geh den weg der kleinen schnecke von Issa

Auslese

2024 MíchΛ Čech I PΛN II -- III --- +


Mitten in der intensiven Vorbereitung auf ein kleines Büchlein mit Meditationen & Kalligraphien zu Versen alter Meister & Weisheitslehrer hat mir mein ehemaliger Klassenlehrer & Mentor aus Boulder in Amerika kurzerhand über den weiten Ozean geschrieben, dass ich doch „die Alten“ in Ruhe lassen – und stattdessen lieber mein Eigenes veröffentlichen solle …

Für diese Aufrichtigkeit möchte ich ihm ganz herzlich Dank sagen! Denn –
nach 34 Jahren Verse schmieden ist das endlich mal dran …

LYRiK F`v´R ΛllΨ

limitierte auflage: 108
papier: weiß + Muskat

I PΛN

entstanden 30.6.-27.12.2023 – erschienen 25.3.2024

selten fliegt ein vogel
bis zur mitte
des flusses

Lesung
SA 23.3.2024 Vorspiel in der Brand-Baude (auf dem Balkon des Elbsandsteingebirges) 
FR 17.5.2024 Prag / Praha in der Kavárna Dobrá trafika (im Stadtteil Vinohrady)

MIT DEM RAD stromab – stromauf +


für meinen Sohn – der mit seinem Schulkameraden bis Hamburg raddeln will –
& seinen Großvater (meinen Vater) – der vor uns (für uns)
die himmlischen Räder strampeln lässt …



Das Rad. Rund. Wenn’s läuft – für gut befunden.
Macht auch mal auf Acht. Das wäre ja gelacht!
Im Grunde aber eine Null. Wie?
Wenn’s nach der Nabe geht – dreht sich alles um sie…


04.10.2023 Riesa – Torgau 52 km

Mit dem RE nach Riesa – Start 08:12 Uhr – in Kreinitz wehen zwei Flaggen und steht EIN GEDENKSTEIN zum Verweilen: Was geschah da am 25.4.1945? – ganz offiziell wird’s dann an der Elbbrücke in Torgau…

Yanks and Reds

In Kreinitz fliegen zwei Flaggen an mir vorbei: die Stars’n’Stripes und der Rote Stern. 
Am Boden liegt ein Stein aus Granit mit einer Inschrift, die magisch anzieht, wenn sie nicht zu entziffern ist. 
Ich wende und stelle das Rad an einer Tafel ab. 

Am 25.4.1945 setzen der Anführer einer Patrouille der U.S. Army Kotzebue und der Soldat Joe Polowsky als Dolmetscher mit einer einfachen Ziehfähre über die Elbe, um sich unabgesprochen mit den Rotarmisten der 1. Ukrainischen Front zu treffen. 
Auf dem Gedenkstein wird für die Nach-dem Krieg-ist-vor-dem-Krieg-Welt eingebrannt: 
Nie wieder Krieg!

Ich kaue weiter an meiner Mischung aus Kornapfelschnitzen & entkernten Datteln. 

Das Foto vom ersten offiziellen Händeschlag der zwei Siegermächte wird wenige Tage später in Torgau geschossen – doch das erfahre ich erst dort.


05.10.2023 Torgau – Wittenberg 68 km

Hinter Dommitzsch lässt mich EIN GEDICHTEPFAD für gute anderthalb Stunden Weile dranhängen: 
Radlers Seligkeit…
mit der Gierseilfähre geht’s in Elster über den Fluss – der Rest ist: Wind!!!…

Dialog zwischen zwei Rädern und zehn Zehn

Am Ende von Dommitzsch werden Grundstückskäufer gesucht während Bagger und Raupen gerade dabei sind den gröbsten Beton-Armierungs-Bauschutt klein zu kriegen. 
Gleich dahinter gefällt sich selbst eine feine Reihenhaus-Siedlung wie einem Broken Flowers-Movie entsprungen. 
Nur das die ältere Frau, die den Müll wegschafft hat, eine Strickjacke made in GDR trägt.

Gerade als sich der Blick bis über den Tellerrand eines Feldes weiten will – unterbricht linker Hand eine Tafel das Abgleiten ins beschauliche Bild und spuckt ein Gedicht aus, das doch endlich Worte für den Himmel auf Erden nicht sucht sondern be-singt: 
Radlers Seligkeit
Da ist von Zehn die Rede, an denen man den Fortschritt des Jahrhunderts sehn kann. 
Im Stehen um zu Lesen machen die sich Einer für zehn, zehn für einen! so ihren eigenen Reim – denn sie hinterlassen keinen bio-asy(m)-metrischen Fußabdruck mehr im ungewaschenen Gesicht der Erde Wo kämen wir da hin!? – Wie auch?! angesichts der schwarzklebrigen Masse die sofort erstarrt sein muss, um jeder ihrer Poren das Recht Nein! Das erste Gebot zu Atmen zu nehmen. 
Sonst könnte das E-Bike an mir vorbei hast-du-nicht-gesehn nicht so auf Auto spielen. 
Da kann dann das Gedicht auch nichts dafür, wenn es Wieder einer weniger! liest – geschweige denn ver- Was will der Autor uns damit sagen?
Nichts sagt er! 
Er sagt nur wie gedruckt
Sonst könnte er nicht an tausenden Orten gleichzeitig zu uns sprechen…


06.10.2023 Wittenberg – Riesa 120 km

Bei Pretzsch steht die Gierseilfähre erst mal: Reparatur!
… 
Und 18 Uhr fahre ich wieder in Riesa ein – mit dem Glockenschlag:
Geschafft!! Und glücklich!!!

Wie hätte ich sonst den Fluss für bare Münze genommen!?

In Pretzsch lädt eine Gierseilfähre ein zur linken Elbseite. Vom Strom aus gesehen. 
Ich steige erleichtert vom Rad. Der Fährmann witzelt, dass eine Einzelfahrt ein Euro Aufschlag kostet. Da haben der Schleifer und der Schweißer schon mit der Reparatur an den Aufsätzen begonnen. 
Ich solle es mir in der Sonne bequem machen. 
Die verzieht sich sofort und überlässt dem kalten Wind das Feld. 

Ich helfe mir über die Zeit 
schlückchen-
weise 
aus der Thermoskanne... 

Elbe wellen wollen weiter strudel quellen auf der stelle

Nach etwa einer Stunde legen wir ab. Da sind die meisten Autos schon wieder weg. 
Der andere Fährmann schimpft: Bei den alten Haudegen hätt’ das nich’ so lang gedauert!! 
Die hätten aber auch nicht derweil in der Kabine gesessen und gefesselt ihr Smartphone beackert.


Rad Ich Rad

Ja!

Ich radle radle radle
Rad Rad
Rad

gerädert

Rad Ich ab

Ah!

und Da! zu

läuft
die Zeit

verspricht alles
und hält
nichts


POESIE DER BERGE – POESIE DER PFERDE (PL-CZ-D) +


26. - 29.5.2023 Pfingsten
 im Isergebirge (Góry Izerskie)
KONIK POLSKI  Przecznica 54, 59-630 Mirsk / PL

ab 19 Uhr

Im Südwesten Polens etwa 65 km von Görlitz / Zgorzelec entfernt – zwischen Liberec / Reichenberg und Jelenia Góra / Hirschberg – liegt im niederschlesischen Isergebirgsvorland der Hof von Pia, Nico und ihren vierbeinigen Freunden.

Du kommst in eine verträumte Hügellandschaft, die auf zwei oder vier Beinen entdeckt werden kann. Auf dem Rücken eines Konik Polski, robuste und gemütliche kleine Pferde, kommst du in deine Körpermitte und wirst von Pia auch als Anfänger gut begleitet.

Zu Essen gibt es früh und abends von Nico - vegetarisch, frisch aus dem Garten oder mit Milch und Käse von den Ziegen und Eiern von den Hühnern.

Zur Einstimmung auf den Tag praktizieren wir Morgen-Yoga.

Abends begeben wir uns auf eine Reise zu den Wurzeln der gemeinsamen Kultur der Menschen im Drei-Länder-Eck: wir tanzen zu Tümen agt mit mongolischem Ethno-Jazz im Galopp von 1000 Pferden – singen beschwingte & besinnliche Lieder – hören die Geschichte vom Zlatorog, dem weißen Steinbock mit den goldenen Hörnern, der die Schätze der Berge hütet & lauschen der alten & sich erneuernden Kraft der Gedichte von Polen, Schlesiern, Mähren, Tschechen, Sorben & Deutschen.

Poezja gór - poezja koni

26 - 29 maja 2023 Zielone Świątki w Górach Izerskich
KONIK POLSKI Przecznica 54, 59-630 Mirsk / PL

od godziny 19

Gospodarstwo Pii, Nico i ich czworonożnych przyjaciół znajduje się w południowo-zachodniej Polsce, około 65 km od Zgorzelca / Görlitz - między Libercem / Reichenbach a Jelenią Górą / Hirschberg - u podnóża dolnośląskich Gór Izerskich.

Wkroczysz w marzycielski pagórkowaty krajobraz, którym można się delektować, będąc na grzbiecie silnego i małego konika polskiego, w towarzystwie trenerki dla początkujących, Pii. Koncentrujesz się na swoim ciele.

Posiłki, serwowane rano i wieczorem przez Nico, są wegetariańskie, świeże, prosto z ogródka, z mlekiem i serem od kóz i jajami od kur.

Na powitanie nowego dnia, ćwiczymy poranną jogę.

Wieczorem wyruszymy w podróż do korzeni wspólnej kultury ludności zakątka trzech krajów: będziemy tańczyć do aktów Tümen z mongolskim etno-jazzem w galopie 1000 koni[nbsp]- śpiewać żywiołowe i kontemplacyjne pieśni - słuchać opowieści o Złotorogu - białym koziorożcu ze złotymi rogami, który strzeże skarbów gór i słucha dawnej, wiecznie odnawiającej się mocy wierszy Polaków, Ślązaków, Morawian, Czechów, Serbołużyczan i Niemców.

(przekład Monika Grobel-Jaroschewski)

Poezie hor - poezie koní

26. - 29. května 2023 Letnice v Jizerských horách (Góry Izerskie)
KONIK POLSKI Przecznica 54, 59-630 Mirsk / PL

od 19 hodin

Farma Pii, Nica a jejich čtyřnohých přátel se nachází na jihozápadě Polska, asi 65 km od Görlitz / Zgorzelce - mezi Libercem / Reichenbergem a Jelení Horou / Hirschbergem - v Dolnoslezském podhůří Jizerských hor.

Dostaneš se do zasněné kopcovité krajiny, kterou lze prozkoumat na dvou nebo čtyřech nohách. Na hřbetě Konika Polski, robustního a pohodlného malého koně, se dostaneš do středu těla a Pia se dobře postará i o začátečníky.

Jídlo podává ráno a večer Nico - vegetariánské, čerstvé ze zahrady nebo s mlékem a sýrem od koz a vejci od slepic.

Abychom se naladili na den, cvičíme ranní jógu.

Večer se vydáme na cestu ke kořenům společné kultury lidí v zákoutí tří zemí: tančíme na tümenské akty s mongolským etno-jazzem ve cvalu 1000 koní - zazpíváme si živé & rozjímavé písně - poslechneme si příběh o Zlatorogovi, bílém kozorožci se zlatými rohy, který střeží poklady hor a zaposloucháme se do starých a obnovujících básní Poláků, Slezanů, Moravy, Čechů, Lužických Srbů a Němců.

(překlad Jitka Pollakis)

22.11.11 VIΛ BOHÉMIA +


2022 wird durch Vin brΛnd von Ende September bis zum verträglich gesetzten 22.11. eine Ballade von der narrenden Barke entblättert …

Der Salto mortale einer schrägen Tour der überschwenglichen Elbe und des gehörnten Dresden mit – 22 Dessert-Fantasien im Ésprit der mittelalterlichen Fatrasien mixed with the Spirit-off fast-food-Poetry-Slam – auf einem Dampfer, dessen durch-die-Welt-steuernder Verstand manOOhhh :’ Feuer fffängt …

Die ersten Häppchen – die aus der Vasel-nachts-Λsche wiederauferstanden sind – konnten am vollmondigen GrünDonnerstag des Jahres 2023 im Café tanteleuk unter der KuK- (Kaffee-und-Kultur-) Ausrichtung von Jörg Stübings Büchers Best bereit-willige Gaumen kitzeln …

UnSinnslyrik – die Elbe rauf & runter

Lyrik steht in Buchhandlungen unter Naturschutz.

Krähen sind auch nur Singvögel. Per Mausklick Eulen nach Athen getragen.
Und Fatrasien keine Haikus. Sie rechnen sich.

Der Autor spielt eine Rolle.
Wie das große Kind Gott, das sich bei seiner Arbeit zuschaut:
das Singen der Mohrrübe … der brennende Fuchsschwanz …
Laute – rote Tücher.
Und dass unter seinem bürgerlichen Kragen ein Bohemièn ragt.
Hinein? Hinaus? Wer weiß!
Namen sind Hall & Hauch.

Michael Zschech genügt ein Cafecito um die ganze Welt zu umschiffen
& seinem Dampfer reichen alle Steuermänner der Welt nicht das Wasser - 
ihn zu lenken: solang das Denken reicht.

Ein Narr wer keiner ist.

LABE-ELBE-LYRIK-PICKNICK +


Liebe Leute,
frisch nach dem Osterfest sende ich euch eine FrOhe BOtschaft!

Am Sonntag zu Frühlingsanfang 2021 an der Elbe unterwegs mit meinen Kindern
sind wir in ein Birkenwäldchen gekommen …
und DIE BÄUME haben mir eine Vision ins Ohr geflüstert:

Unter unsrer Krone und über unsren Wurzeln
sitzen die Menschen alle zusammen
in einem Kreis
zu einem kleinen FEST FÜR FREUDE & FRIEDEN
um uns wieder VERBUNDEN ZU FÜHLEN …

Und ich habe es jetzt noch ein wenig in unsere Sprache rüber-getragen:

IM FLUSS.
Die Labe-Elbe verbindet uns.
Osten und Westen. Süden und Norden.
EIN FLUSS.
Lasst uns zusammen-sitzen.
Bring dein Lieblingsgericht mit.
Sing ein Lied oder lies ein Gedicht.
Miteinander teilen & weilen.
Etwas das unsere Herzen bewegt.
IM FLUSS.

DENN AM SIEBTEN TAG SOLLST DU ...

SOnntag 11-13 Uhr
24.4.2022 in Rathen an der Fähre > Text & Fotos siehe unten
17.7.2022 beim Nachbarschaftsbrunch "Konkordien isst bunt" auf dem Konkordienplatz in Pieschen mit der Pieschener Stadtkapelle Text & Fotos siehe hier

Seid also herzlich eingeladen MITEINANDER AUF DIE STAMM-DECKE zu kommen!

Und unsere tschechischen Freunde die Labe-Elbe entlang Richtung Drážďany-Dresden zu fahren 

Ahoj Michael Zschech

20.4.2022


ES WAR ERST MAL ... 

SONNTAG 24.4.2022
DER WEISSE SONNTAG

11:02
mein blick fällt auf die uhr rein nach RATHEN wieder NIEDER- die wolken senken drohend ihre zeigefinger

WER WIRD WOHL KOMMEN?

hoffnung schimmert froh

11:22
unten an der fähre DIE BANK

Zum Gedenken an
* 1939 Stanislaw Petrow 2017 †
„Den Mann, der, am 26.09.1983
den Atomkrieg verhinderte.“

16.09.2019

ich gehe vor auf den steg die gierseilfähre muss warten ich gehe zurück auf den steg fotographiere die birke im plastikeimer & den osterhasen aus IHREM holz geschnitzt 

über-gesetzt

NIEMAND
NIEMAND IST GEKOMMEN!

ZWEIFEL-LOS

und EINS ZWEI auf der letzten bank BASTEIGUGGER ein paar ’ne jungsche & ’n jungscher

DIE ZWEI SIND EINFACH DA!!

Denn wo zwei .. versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.

ich spreche sie an LASST EUCH VON MIR NICHT STÖREN! sie im ernst STÖREN WIR DICH? ich belustigt GANZ UND GAR NICHT! lehne rucksack an laterne lege meine DREI holz-laminat-quadrate aus den FREUNDESKREIS da-vor das brett mit LABE-ELBE-LYRIK-PICKNICK ein-geritzt an-gelehnt die €-münze aus der fahrkartenautomaten-klappe KIBRIS das mutter-IDOL DER LAIB ALS WEGES-KREUZUNG & DAS BIRKENHERZ da-neben die ZWEI kerzen würden gerne WAS? BRENNEN! menschenskind bei dem wind KEINE CHANCE! die ZWEI wanderbotten ausgezogen links & rechts hülle mich in eine decke und ICH SPRECHE: JA! HEUTE IST NÄMLICH TAG DES BUCHES – 

WEISS WAHR-SCHEINLICH KEINER …

Es war einmal eine Zeit, da die Menschen keine Freude kannten.

Ich werde auch dich töten, wenn du mir nicht versprichst, Gesangfeste zu feiern …

Aber wir wissen von keinen anderen Menschen als von uns selbst.

Wenn alles bereit ist, sollst du hinausgehen, um nach Menschen zu suchen.
DU WIRST SIE ZU ZWEIEN TREFFEN.


DIE ZWEI 1-2-3 – VORBEI! klatschen und der jungsche zwinkert mir zu ZU-FALL sie sind aus bÄrlin DAS ERSTE MAL hier IN DEN STEINEN sie bedanken sich er fragt WAS DAS FÜR EINE GESCHICHTE SEI – EIN MÄRCHEN – NA JA! SKASKA und die jungsche zwinkert mir zu SPASSIBO! und zum abschied faltet sie die hände:

NAMAS TÉ!! – ICH RUFE DICH!!

eingepackt platschen die ersten beiden .. aufs trockene pflaster – 

22022022 BAUM ZUNGEN +


R--TT--R

für nur11

am ende
ein taschentuch verloren
eine hosentasche gewonnen

der freund des buchhändlers
der auf der beerdigung
seines freundes
den energieerhaltungssatz verlas

ich habe von dem baum gesprochen
der sich
URplötzlich für mich
ENTscheidend für dich
einfach fallen
lassen hat

der wind sagt winter
die sonne versteht frühling

apfelstückchen & haselnüsse gegessen
auf einer wurzel gesessen

deine hände
um die kerzenflamme
behutsam

deine worte
dass die buche
meine worte
gehört hat

diese unbeschreibliche freude

[...]

weißer weißer tag

am weißen mondtag
WERDEN die worte
ins feuer geschrieben
also
ZEIT hat man einfach
wenn du es wirklich willst

GEH vom blauen wunder
den dichter-musiker-maler WEG
in den GRUND
wo der froschkönig
auf dich wartet
-
und dann
komm hinauf
ZU MIR :

DIE ANTWORT
MEIN FREUND
WEISS
GANZ ALLEIN

THE W--D

Čechy u moře – BÖHMEN AM MEER (CZ-D) +


10.9.2022 Grenzsteinfest
Deutsch-tschechische Begegnung 
11-16 Uhr in Cínovec / Böhmisch-Zinnwald 
vor der Maria Himmelfahrt-Kirche
mit Ausflügen zum Friedhof / Hřbitov und nach Vorderzinnwald / Přední Cínovec 

25.6.2022 Sommerfest "30 Jahre Euroregion Elbe-Labe"
am Mückentürmchen / Komáří Vížka
12-15 Uhr KRÁL VUGLBÄRBAAM
tschechisch-deutsche Lesung in der St. Wolfgangskapelle 
mit Renata Bulvová (Praha), Milan Hrabal (Varnsdorf),
Uwe Kolbe (Dresden), Radek Fridrich (Děčín),
Michael Zschech (Dresden) 
& Gedichten von Róža Domašcyna (Bautzen-Budyšin)

Text & Fotos siehe hier

Die St. Wolfgangskapelle befindet sich an der Straße von Horní Krupka (Obergraupen) nach Fojtovice (Voitsdorf) nahe der Kreuzung zum Mückentürmchen (Komáří Vížka).
Sie wurde im 14. Jh. im gotischen Stil erbaut.
1634 wurde die Kapelle während des Dreißigjährigen Krieges zerstört.
In den Jahren 1692-1700 hat sie der Baumeister H. G. Prüchel im Barockstil wieder aufgebaut.
1999-2000 erfolgte eine Renovierung mit Hilfe Europäischer Fördergelder.
Sie wurde zu einem Stand des Grenzüberschreitenden Bergbaulehrpfades und einem Ort, wo sich die Bewohner von beiden Seiten der böhmisch-sächsischen Grenze begegnen.

Die Kapelle wurde dem Heiligen Wolfgang, dem Schutzpatron der Bergleute, geweiht.
Nach einer Sage besuchte er den Mückenberg und fand die Gegend so wunderschön, dass er die hier wachsenden Heidelbeeren segnete, die daraufhin in ungesehener Größe gediehen…

Byl jednou, bylo nebylo …
Co zbylo mi?
Vzpomínání.

Es war einmal, und war auch nicht …
Was bleibt mir?
ERINNERE mich.

Once upon a time, in a time without time …
What do I have left?
REMEMBER mine. 

Renata Bulvová (1966 Chomutov)
- hat ihre Kindheit in Chomutov (Komotau) und in Kalek, einem Dorf an der Grenze zwischen Tschechien und Sachsen, erlebt
- tschechische Lyrikerin
- Projekte Poezii pro cestujíčí (Poesie für Reisende) in der Prager U-Bahn und Den poezie (Tag der Poesie)
- landart Festival in Königsmühle (organisiert von Petr Mikšíček)

- Jdeš touto známou krajinou, a přesto nevíš kudy / Du gehst durch die bekannte Landschaft hier und weist den Weg doch nicht (Novela Bohemica Verlag Prag, 2017, übersetzt von Mirko Kraetsch)

Prší
a rozmazané louky
jsou plné bylin

Jdeš dál
podél jeřabin
pravotočivych
a suchých

Tady stával dům


Es regnet
und die verschwommenen Wiesen
sind voll mit Kräutern

Du folgst nun
den Ebereschen
rechtsdrehwüchsig
und trocken

Hier stand einst ein Haus


Milan Hrabal (1954 Varnsdorf)
- tschechischer Lyriker
- Nachdichter und Herausgeber von Anthologien mit Poesie aus dem Sorbischen, u.a. Jazyk, jímž porozumíš větru (Die Sprache, mit der du den Wind verstehst)

- Sólo větru (Solo für den Wind, 1981)
- Eine schimmernde Wabe Glimmer (Leipziger Literaturverlag, 2016, nachgedichtet von Róža Domašcyna)

Rodný dům

Námi
tiše prorůstán

Dům
k jehož základům
táta se znovu shýbá
k skulinkám času
mezi kameny


Haus der Geburt

Sacht ist mit uns
verwachsen

das Haus
zu seinen Fundamenten
bückt sich der Vater erneut
zu den Rissen der Zeit
zwischen den Steinen



mit Radek Fridrich
(Děčín) Finalist des Dresdner Lyrikpreises 2020
& Michael Zschech
(Dresden)

FR 13.08.2021 
im Café Saite 
Čechy u moře - BÖHMEN AM MEER ein tschechisch-deutscher Lyrikabend
und Eva Cello liest Jan Skácel > WEISSE BIRKE

SA
10.07.2021 im Pillnitzer Weinberg - Festplatz am Leitenweg
VINNÉ-LINIE eine deutsch-tschechische WeinLese
mit Wein von Kahlert’s Weinmanufaktur www.kahlerts-weinmanufaktur.de

Radek fährt seit Jahren von Děčín Richtung Dresden.
Michael fährt seit seiner Kindheit von Dresden ins Böhmische.

Radek Fridrich (geb. 1968 in Děčín) debütierte im Jahr 1996 mit der Gedichtsammlung PRA und veröffentlichte danach einige Gedichtbände im Brünner Verlag Host: Vzahradě Bredovských (Im Garten Bredas, 1998), Molchloch (2004), Žibřid (Siegfried, 2006) und Krooa krooa (2011). Für letzten erhielt er im Jahr 2012 den Literaturpreis Magnesia Litera in der Sparte Lyrik. 2011 kam sein Gedichtband Nebožky/Selige heraus, eine tschechisch-deutsche Ausgabe in der Übersetzung von Jana Krötzsch. Zuletzt erschienen ein Band mit Lautgedichten unter dem Titel Ptačí řečí (Vogelsprüche, 2017) sowie die französischen Übersetzungen croa croa (2017), Beffroa (2018), Bord de mer/Pobřeží (2019) im Pariser Verlag Revue K.
Seine letzten deutschen Gedichtbücher sind Linie S1 (2019) und Krah krah (2019).
Seit 2001 organisiert er das Literaturfestival Literární Zarafest in Děčín.

Krooa krooa (2011) – Krah krah (2019)
In den Sommern der Jahre 2004 bis 2009 entstand diese Sammlung von Gedichten in den Tisaer Wänden (Tiské stěny).
2011 erschienen im legendären Brünner Verlag Host mit Illustrationen des Autors.
2012 erhielt er den höchsten tschechischen Literaturpreis für Lyrik Magnesia Litera.
2019, im Jahr der Leipziger Buchmesse mit dem Flaggschiff Tschechien, wurde Krah krah beim Pariser Verlag Revue K in der Übertragung von Jana Krötzsch (Dresden) veröffentlicht – mit 10 lavierten Tuschezeichnungen von Barthélémy Togue (Kamerun).

Wer ist da – im Lande Sandstein?
Da wäre zuerst einmal der Welsche Daniel, Prospektor, mit seinen Botschaften voll alchemistischen Kauderwelschs, das von ihm geradezu magisch mit der Landschaft des Elbsandsteingebirges verknüpft wird.
Dann ein Hasenfuß, der ausdrücklich nicht benannt sein will, der ganz schreckliche Angst vor IHR hat.
Chrastava, die Rasselhexe, die ihre Krallhände nach ihm ausstreckt.
Der Hasenfuß schreit: „Ich will nicht!“
Doch Chrastava – will SIE?
Wenn da nicht der Welsche Daniel wäre.
Der kann nämlich mit Hexen umgehen.
Glaubt er zumindest.

Zwei Videos von Andreas Rajchert
"Glück" (14.1.2022) https://www.youtube.com/watch?v=5JJk80SbvGI (30:17)
8:48-9:44 Gedicht „Obraz“ (Das Bild)
"Liebe“ (15.2.2022) https://youtu.be/EKDhjAm2OJM (20:13)
11:47-12:46 Gedicht „V brlohu“ (Im Schlupfwinkel)
von Radek Fridrich (Krooa krooa 2011 deutsch MZ 2021)

Pobřeží (2019) – Die Küste (2021)
2018. Frankreich. Normandie. Ein Böhme am Meer.

"Das Ebene des wogenden Horizonts,
Sand und Träumerei.

Spuren verschwinden
in der Flut."

2019 erschien Pobřeží – Bord de mer bei dem Pariser Verlag Revue K in der französischen Übersetzung von Erika Adams mit Aquarellen von Jean-Pierre Plundr.
Und im September 2021 im Heft 12 des „stadtgelichters“ die deutsche Übersetzung von Zuzana Finger (Wilhelmshaven).

Linie S1 (2019)
2019 erschienen im Perplex Verlag in der Übertragung von Kristina Kallert (Regensburg).
2020 lief es in erzwungener Abwesenheit des Dichters beim Finale des Dresdner Lyrikpreises als Video online.

'Linie S 1' sind nicht nur Gedichte über abgefahrene Stationen, durch die ein aufmerksamer Beobachter einiges entdecken und wiedererkennen kann.
Da taucht ein 'Travel free shop' auf und eine Flutmarke verschwindet, Spatzen schwatzen in Obervogelgesang und Zitzschewig zwitschert zwischen den Zeilen...

Krevker (2020)
Von Mai 2011 bis März 2019 suchten diese umfangreichen Erinnerungskollagen ihre abschließende Gestalt.
2015 wurden vier von ihnen unter dem Titel „Wir kehren an den Tatort zurück“ in der Ausgabe 77 des „Ostrageheges“ in der Übertragung von Jana Krötzsch (Dresden) veröffentlicht.
2020 ist der tschechische Gedichtband im Adolescent Verlag erschienen.

Es geht um ein Gefühl.
Verschwundene Menschen. Verwunschene Häuser. Verschwundene Katzen.

„Und trotzdem erscheint
jetzt eine hinter dem Fenster
und bettelt um die Wärme
des Innen.“

Die alte Heimat der Sudetendeutschen.
Eine Wunde zwischen Deutschen und Tschechen, die noch längst nicht vernarbt ist.

Noch unveröffentlicht ist die deutsche Übersetzung von Zuzana Finger.


Michael Zschech
(geb. 1971 in Dresden) ist Lyriker, Filmemacher, Tänzer und Yogalehrer. Seit 1990 schreibt er Lyrik und Prosa, übersetzt Lyrik und spirituelle Texte. Am 11.11.2011 ist der Auftakt für zahlreiche TAnzTOnTExt-Performances - mit HALB LEER HALB VOLL beim OFF-Theaterfestival Dresden (2012) und im Festspielhaus Hellerau (2013). Er veranstaltet zweisprachige Lesungen. 2017 initiiert er einen Haiku-Kreis. 2018 erscheint in den DRESDNER Miniaturen PING-PONG-POESIE. Er gibt eine Postkarten-Edition HIDDEN SEE HAIKU heraus. Und durch němec ertönt WEISSES WEISSES WASSER - eine Ballade von der Elbe, die ins Tschechische übertragen wurde von Přemysla Klobouková: VEDE VODA VEDE. 2020 wird PRIMERA VUELTA AL MUNDO veröffentlicht in „Weltbetrachter. Neue Lyrik. Eine Anthologie aus Sachsen (2010-20, poetenladenverlag Leipzig).

hidden see (1992-2020) / hidden see haiku (2018)

Gedichte, die die salzige Luft der Ostsee eingeatmet haben, die mit einigen Tropfen vom heidnischen Geist slawischer Ahnen und von christlichen Gebeten klösterlicher Mönche getränkt ist.

Während 15 Tagen Herbstferien 2018 empfangen, erscheinen im Dezember hidden see haiku in der ersten eigenen Edition von 15 Postkarten mit Bildern von Dirk Heerklotz (Dresden).

Haiku sind drei Zeilen, die aus einer einmaligen offenbarenden Erfahrung heraus ihre bestimmte Form finden, deren Silben traditionell gezählt werden.

haiku (2014-19)
Im Winter 2014 werden im Mückentürmchen (Komáří Vížka) innerhalb einer Nacht gleich 11 Haikus entbunden.

Im Laufe der Jahre wächst eine ganze Reihe heran, meist auf den Brettern, die die Welt des Skifahrers bedeuten, den Osterzgebirgskamm entlang – zwischen Cínovec und Tisá.


weißes weißes wasser (2018) – vede voda vede (2019)
Im September 2018 ertönt durch němec eine Ballade von der Elbe.
Einen Mond später im legendären Café Slavia in Prag (Praha) zum ersten Mal öffentlich.
Sie wurde ins Tschechische übertragen von Přemysla Klobouková.

weiß auf schwarz (2021)
Ende Mai 2021 ist der Dichter unterwegs von Dresden nach Stadice – auf den Spuren seiner Ahnen.

Er kommt an.
Am Straßenrand – elf gefällte Bäume.
Hinter dem Königsfeld – die Autobahn Dresden-Prag.
Er wird nie ankommen.

WEISSE BIRKE im slawischen strom (D-CZ-PL-RUS) +


bíla bříza (CZ)

         Jan Skácel

běła brěza (obersorbisch)

           Róža Domašcyna

biała brzoza (PL)

        Cyprian Kamil Norwid

                Wojciech Bonowicz

            Ju Sobing

běła brjaza (niedersorbisch)

                 Kito Lorenc

белая берёза (belaja berjosa) (RUS)

            Marina Zwetajewa

                 Arseni Tarkowski


Es war einmal, und war auch nicht …

„Ich gedenke der alten Zeit“

so steht es geschrieben von Alois Jirásek in Böhmens alte Sagen (Staré pověsti české 1894), die 1975 beim Artia Verlag in Praha / Prag erscheinen, ins Deutsche übertragen von Margarete Keil, mit einem kursiven Nachsatz:
„Diese Ausgabe ist dem 30. Jahrestag der Befreiung der Tschechoslowakei durch die Sowjetarmee gewidmet“.

Hört die wunderbaren Geschichten aus uralter Zeit, da die Menschen noch im Dämmerlicht der Haine ihre Götter verehrten und in den stillen Tälern den Quellen, Flüssen und dem heiligen Feuer opferten!

Die Sage von den drei Brüdern: Rus, Čech und Lech

1295 werden in der lateinischen Chronica Poloniae Maioris, der Großpolnischen Chronik (Kronika Wielkopolska) des Erzbistums Gniezno / Gnesen - Poznan / Posen unter der Herrschaft des Königs von Polen und Böhmen Wenzel II. drei Brüder als slawische Stammväter erwähnt:

„… tres fratres … nati fuere quorum primogenitus Lech, alter Rus, tercius Czech nomine habuerunt. Et hii tres hec tria regna Lechitarum, Ruthenorum et Czechorum qui et Bohemi ….“ – 
… drei Brüder wurden geboren, deren Erstgeborener Lech, der zweite Rus, der dritte Čech genannt wurde. Und diese drei (erhielten) die drei Königreiche der Lechiten [Polen], der Ruthenen [die Kiewer Rus als Vorläuferstaat von Russland, Weißrussland und der Ukraine] und der Tschechen wie auch Böhmen [Čechy – das tschechische Wort für Böhmen umfasste damals auch Mähren und Schlesien] ...

bíla bříza (CZ)

Byl jednou, bylo nebylo …

Die tschechische Version der Sage spricht von der Heimat der Slawen nördlich der Tatra, wo viele Stämme lebten.

„Jeder Stamm hatte seinen eigenen Namen, seine eigene Mundart und sein gemeinsames Land. Und es geschah, dass Kämpfe um Felder und Dörfer ausbrachen. Stamm stand gegen Stamm, Geschlecht gegen Geschlecht.
Und sie legten Feuer an die Hütten, zerstörten Äcker und brachten sich gegenseitig um.“

Die beiden Herzöge Čech und Lech, „zwei Brüder aus einem mächtigen Geschlecht“, beschließen, ihre Heimat zu verlassen und ein neues Land zu suchen, „wo jeder Mensch in Frieden leben und seiner Arbeit nachgehen kann“.

Sie kamen an die Grenze des slawischen Landes.

Sie setzten über die Odrą / Oder.
Sie setzten über die Labe / Elbe.
Und sie setzten über die Vltava / Moldau.

Die Menschen begannen zu klagen.

„Da wies Herzog Tschech auf einen hohen Berg, der jenseits der Ebene blaute, und sprach: Lasst uns zu diesem Berge ziehn! Dort wollen wir rasten. …

1314 besteigt Čech in der Dalimil-Chronik den Berg Říp.
Was von Václav Hájek aus Libočan um 1530 auf das Jahr 644 datiert wird.

… Am nächsten Morgen erhob sich Herzog Tschech schon früh von seinem Lager und stieg auf den Gipfel. Als er den Berg erklommen hatte, ging gerade die Sonne auf. Weit ging sein Blick über das Land, das zu seinen Füßen lag wie eine offene Hand. Aus dem üppigen Grün schimmerten silbern die Flüsse. In der Ferne warfen Berge ihre Nebelschleier ab. Eben war die Landschaft, wie geschaffen für Äcker und Weiden.
Das Herz schlug ihm höher bei diesem Anblick, und er dankte den Göttern, dass sie ihn hierher geführt hatten.
… und so beschlossen sie, das Land zu besiedeln.

Als am dritten Tag die Sonne über den Wäldern aufstieg, rief Herzog Tschech seinen Bruder und die Ältesten zu sich und sprach: … wir haben das Land gefunden, das wir suchten. Oft habe ich von diesem Land geträumt, öfter noch von ihm gesprochen. Dies ist das Land, in dem ihr von nun an leben sollt. Ihr werdet hier alles im Überfluss haben. Guten Schutz vor Feinden bietet es auch. Noch aber hat es keinen Namen. Lasst uns überlegen, wie es heißen soll. …
Und alle sagten wie aus einem Mund: Nach dir sei es genannt, nach dir, Herzog Tschech!
Da fiel der Herzog auf die Knie und küsste die Erde, die neue Heimat seines Volkes. Danach erhob er die Hände und rief mit lauter Stimme: Sei mir gegrüßt, heiliges Land! Ernähre und erhalte uns zu aller Zeit!’“

1375 wird Přibík Pulkava von Radenín Hofchronist unter dem böhmischen und römisch-deutschen Königund Kaiser Karl IV., der die lateinische Chronik entscheidend beeinflusste und Übersetzungen ins Tschechische und Deutsche anordnete, und nun die Geschichte so erzählt, dass sein Bruder Lech von Böhmen aus nach Polen weiter zog und sich dort niederließ…

„Die neuen Gebiete reichten bald nicht mehr aus, um die vielen Menschen zu ernähren, und so trennte man sich. …
Auch Herzog Tschechs jüngerer Bruder, Herzog Lech, beschloss, weiter gen Osten zu ziehen. Herzog Tschech ließ ihn nur ungern gehen, denn sein Fortgang bedeutete eine Schwächung für beide. Er bat ihn deshalb, sich nicht weit zu entfernen, damit er in Zeiten der Gefahr seinem Volk zu Hilfe eilen könne.
Brüder und Söhne, sprach Herzog Lech vor dem Abmarsch, ich werde nicht vergessen, dass ich eures Stammes bin. …

Jan Skácel

(7.2.1922 Z/V-norovy, Morava / Mähren - 7.11.1989 Brno / Brünn)

Kdo pije potmě víno
– WER IM DUNKELN WEIN TRINKT


„Zu Hause“, sagt er, „ist in Mähren bei uns.“
Host do domuGast ins Haus, so heißt seine Kulturrevue in Brno (Brünn).
Ein Dichter, der „zu Hause höchstens – auf dem Küchentisch – da ich keinen Schreibtisch habe – einige Verse ins Reine schreiben und sie dann entweder in den Mülleimer werfen oder mit einer gewissen verzweifelten Hoffnung in die Akte legen (kann)“…

Ja, ich bin ein Gast auf Erden (singt Gerhard Schöne 1991)!
Und wer ist der Gast im Hause meines Körpers?

1967 erscheint auf Deutsch der erste Gedichtband in der Übersetzung des Lyrikers Rainer Kunze Fährgeld für Charon (bei Merlin in Hamburg).
Darin sind Gedichte versammelt aus Kolik prilezitostí má ruze (Gelegenheiten hat die rose viele, Praha/Prag 1957), Co zbylo z andela (Was vom engel übrigblieb 1960), Hodina mezi psem a vlkem (Die stunde zwischen hund und wolf 1962) und Smuténka (Die kleine trauer 1965). 

Protože všichni mluví pořád dokola, 
vymlčel sis v duchu malý kamínek.
...


(Hvězdný prak)


Weil alle nur im kreise reden, 
schweigst du dir im geist ein steinchen aus. 

(Sternenschleuder)

Außer Lyrik gab es noch den Prosa-Band Jedenáctý bílý kun (Das elfte weiße pferd, Brno/Brünn 1964)

Nach dem August 1968 kann er nur im Samizdat bzw. im Ausland veröffentlichen.

Erst 1981 kommt Dávné proso (Hirse hirse langeher, Brno/Brünn) heraus – und Wundklee, die Übersetzungen von Rainer Kunze (bei Fischer in Frankfurt/Main 1982), der 1977 übergesiedelt wurde.

1988 erscheint schließlich Kdo pije potme víno (Wer den wein im dunkeln trinkt) in Brno/Brünn.
1989 erhält er den Petrarca-Preis, zu dem Peter Handke am 10. Juni in Lucca die Laudatio hält.
In seiner Dankes-Rede sagt Skácel:

„Das Gedicht ist aber auch ein schwerwiegendes Verwundet-Sein, denn die Dichter wehren sich wie die Bienen, und wie diese schenken sie denjenigen, die sie verwunden, ihren eigenen Tod, ihr eigenes Sterben.“

Und „am 7. November 1989 legte sich Jan Skácel nach einem spaziergang erschöpft nieder und erwachte nicht mehr.“ (Rainer Kunze im Nachwort 1990)

Posthum erscheinen Nochmals die Liebe (A znovu láska 1991) – übersetzt von Felix Philipp Ingold (1993), und nach 1993 noch 1995 der zweite Feuilleton-Band Das dreizehnte schwarze Pferd (Třináctý černý kůň 1993) übersetzt von Christa Rothmeier. 

Alles über Pferde

„… Der Mann, der mir etwas wirklich Wertvolles über das Leben erzählt hat und den Vorteil besaß, dass er es nicht aus Büchern hatte, war ein Kutscher. Er wusste alles und kannte jeden Morgen. Er stand immer um halb vier auf und ging den Hügel hinauf, um die Pferde zu füttern. Im Unterschied zum Landvermesser K. gelangte er wirklich ins Schloss. (Es waren fürstliche, zuletzt staatliche Pferde.) … Durch ihn habe ich erfahren, dass ein Pferd kein Aeroplan ist.
Ich mag Pferde aufrichtig gern, kann es aber nicht ausstehen, wenn sie Flügel haben, und Pegasus ist nicht gerade das Tier, für welches ich eine Vorliebe hätte. Es ist ein stilisiertes Ross und ganz ohne Pferdeäpfel. Keiner weiß, ob es ein Schimmel, ein Braunschecke, ein Apfelschimmel oder eine Rappstute ist. Das ist alles wichtig.
In meiner Kindheit war man noch ziemlich gläubig, und ich glaubte daran, nicht in Mathematik aufgerufen zu werden, wenn ich auf dem Schulweg einem weißen Pferd begegnete.

Wenn ich auf dieser Welt alles hinter mir haben werde, wäre es mein Wunsch, dass man mich mit einem Paar Pferde auf den Friedhof fährt. Ein Paar genügt. Den Kutscher bitte ich, dass er die Pferde nicht antreibt, auf dass sie schön gemütlich [Christa Rothmeier hat: „bedächtig“, das klingt allzu-menschlich …] vorwärtsschreiten. Die Peitsche soll er ruhig im Pferdestall vergessen. Ich will nicht, dass die trauernden Hinterbliebenen sich hinter mir abhetzen.
Ich will nur, dass es zwei Pferdchen sind. Ein weißes und ein schwarzes. Ich verdiene es. Ich habe nie in meinem Leben ein Auto, ja nicht einmal einen Fernseher besessen.“


Mit seinen Gedichten wächst Eva Cello Skiera im riesengebirgischen Trutnov (Trautenau) auf, die aus der Čapek-Familie stammt und seit einigen Jahren als Künstlerin, Kaffee-Designerin und Yogalehrerin in Dresden lebt.

Im Januar 2019 bringt sie mir einen Stapel voller Skácel.
Zum Glück auf Deutsch. Leider nur wenig tschechisch. Eine Offenbarung.
Im April gibt sie mir handgeschrieben ein Gedicht auf Tschechisch mit Transliteration.
Es packt mich… und um Mitternacht liegt der erste Versuch einer Übersetzung vor mir –
auf dem Küchentisch …


17.11.2019 veränderbar - art der kultur
Tschechisch-Deutsche Lesung mit Eva Cello Skiera & selbstgebrannten Übersetzungen

> Impressionen vom Fotonauten hier

 

běła brěza (obersorbisch)

Róža Domašcyna

(1951 Zerna bei Kamenz) lebt in Budyšin / Bautzen

KERNWORTE

1991 erscheint in Berlin in der ersten Auflage der Janus press von Gerhard Wolf, dem Mann der bekannten DDR-Schriftstellerin Christa Wolf, der erste Gedichtband Zaungucker der bis dahin dem deutschsprachigen Leser völlig unbekannten Róža Domašcyna.


Ich grab die hand mir in die tasche, grab mich ein
und schließ den mund, um stumm herauszuschrein.

(Zaungucker)

„Meine Texte – experimentelle Lyrik?
Vielleicht ist experimentell nur das Anderssein, die Empfindung hier zu Hause zu sein und sich doch weder als Sachse noch als Preuße zu fühlen. Vielleicht ist experimentell nur das, dass mein Volk ein ausschließlich dörfliches ist, dass Kleinheit vielleicht Provinz einschließt oder ausschließt? Vielleicht ist es die Rechtschreibung, die ich nach dem Sorbischen gestaltet habe?“

Und Gerhard Wolf:
„Texte, in denen sich nun allerdings eine Dichterin entdeckt, die aus dem Zwist von legendärer Herkunft und auf sie einstürzender Gegenwart ihre Sprache findet: nüchtern, mit lidlosem Blick, traumsicher, mit dem siebten Sinn für das Unfassbare hinter den Dingen, das mit benannt werden muss.“

… in dreiecksland
das nie das format zum transit aufbrachte

(Zeitzeichen)

Am 30.9.2019 stehe ich in der Domowina-Buchhandlung von Budyšin / Bautzen und halte ihren ersten Gedichtband auf deutsch in den Händen – immer noch die erste Auflage.

Und etwas spiegelt sich wieder in der Suche:

im wasser wenn ich mich erkenne
den fisch mit menschenantlitz

ich seh Marina (Zwetajewa) die fürstin
im jahre achtzehn tot in ihrem wagen
mit offenen augen durch Moskau fahren

erkenne die eigenen füße
die um ihren ursprung kreisen
die einigkeit des ungeteilten fischleibs
die sich einstellen will
vor dem ende

Im April 2018 wird sie mit dem Sächsischen Literaturpreis geehrt.

Am 16.08.2018 höre ich zur Palais.Poesie das erste Mal ihre Gedichte.

Sie liest Im grübelzwang und Im brennglas:

das ist krass sagst du – das rote wasser
lässt die hand eintauchen krasna woda


Krasna woda – rotes Wasser, aber auch schön…

Im Januar 2019 treffe ich sie in einem Dresdner Café zwischen Bahnhof und Akademie – und sie berichtet mir von ihrer Großmutter, die eine große Märchenerzählerin gewesen ist und ihrer Enkelin, die nicht mehr weiß, warum sie Sorbisch lernen soll.

Am 3.6.2020 liest sie im Garten des Dresdner Kästnermuseums aus ihrem im poetenladen Leipzig neu erschienenen Gedichtband Stimmen aus der Unterbühne.

Ich stehe vor ihr mit beiden Gedichtbänden in den Händen …

 

biała brzoza (PL)

Było kiedyś …

Die polnische Version der Sage besagt, dass bis ins 7. Jh. zwischen den Flüssen Dnjepr und Wisła / Weichsel alle Slawen zufrieden in einem Land lebten und eine Sprache sprachen.

Da kam die Zeit, dass das Land die Menschen nicht mehr ernähren konnte, weil in den Wäldern das Wild und in den Flüssen die Fische knapp wurden. Die drei Brüder beriefen eine Versammlung ein und beschlossen einstimmig, für sich und ihre Leute ein neues Land zu suchen.

Am oberen Pripjet geht Rus der älteste Bruder flussabwärts nach Osten.
An der Wisła / Weichsel geht Čech der mittlere Bruder weiter nach Süden in Richtung Quelle.

Und Lech der jüngste Bruder überquert mit seinem Stamm den Fluss da, wo heute Kraków / Krakau liegt, und geht nach Norden.

Nach langer Zeit kommen sie in ein Land mit vielen Seen.
Lech beruft den Stammesrat ein, um zu beschließen, ob sie bleiben wollen und wo sie eine Burg bauen sollen.
Da sieht er in der Abendröte einen weißen Adler von der Krone einer riesigen Eiche auffliegen und in seinem NEST (gniazdo) auf einem Hügel landen.
Lech erkennt das Zeichen und gründet dort die Stadt Gniezno / Gnesen.

1025 wird hier Bolesław I. Chrobry der erste König von Polen.

 

Cyprian Kamil Norwid

(24.9.1821 Laskowo-Głuchy / Masowien - 23. Mai 1883 Paris)

Rzecz o wolności słowa - ÜBER DIE FREIHEIT DES WORTES

2020 erscheint in der dritten Auflage (von 2012) im Leipziger Literaturverlag Über die Freiheit des Wortes – Gedichte und ein Poem von Cyprian Kamil Norwid aus dem Polnischen übersetzt vom Dresdner Peter Gehrisch (geboren 1942).

Wer ist dieser mir bisher unbekannte Dichter mit dem klangvollen Namen?

1772-1793-1795 fallen aufgrund der inneren Schwäche der polnisch-litauischen Adelsrepublik Teile von Polen an Preußen (1772 Gdańsk / Danzig 1793 Poznań / Posen 1795 Warszawa / Warschau – 1815 nach dem Wiener Kongress als Hauptstadt von Kongresspolen vom russischen Zaren regiert) und das habsburgische Österreich (1772 Westgalizien mit Lublin und Kraków / Krakau – 1815 Stadtstaat 1795 Ostgalizien mit Lwów /Lemberg – heute: Lwiw / Ukraine) und die Zentralgebiete (1772 Witebsk 1793 Mińsk 1795 Brest-Litowsk – alle drei heute Belarus / Weißrussland und Wilna / Vilnius – heute: Litauen) an das zaristische Russland.

1821 wird Cyprian Norwid unweit von Warszawa / Warschau in eine Landadelsfamilie geboren.
Der Vater steht in fürstlichen Diensten, die Mutter stammt aus dem Hause der ehemaligen Königsfamilie.
Nach dem Tod der Mutter kommt Norwid mit vier Jahren als Waise zu seiner Urgroßmutter Hilaria auf ihr masowisches Anwesen. Hier lernt er Volksbräuche, die katholisch geprägte Kultur kennen.

1830 flieht der Vater während des Novemberaufstandes nach Warszawa / Warschau.
1835 wegen Schulden und Steuerhinterziehung inhaftiert stirbt der Vater.

1837 bricht Cyprian Norwid das Gymnasium ab und beginnt eine Ausbildung an einer privaten Malschule. Erste politische Aktivitäten.

1840 veröffentlicht er sein erstes Gedicht: Mój ostatni sonet (Mein letztes Sonett).
Kontakte mit der Künstlergruppe Warschauer Boheme.

1842 Verlobung mit Kamila.
Reise zu künstlerischen Studien über Kraków / Krakau und Wroclaw / Breslau nach Dresden.
Kraszewski wird aufgrund seiner Schriften auf ihn aufmerksam und nimmt Kontakt auf – ein äußerst ambivalentes Verhältnis, da Kraszewski Drucke etwa seiner Tragödie Krakus ablehnt und seine Werke öffentlich kritisiert.

Und weiter geht die Odyssee (deren Epos er selbst ins Polnische überträgt) eines unermüdlichen, aber immer kränker, ärmer und unglücklicher werdenden Vagabunden:
Venedig, Florenz, Rom, Berlin (1846 verhaftet, erkrankt und ausgewiesen als angeblicher Revolutionär), Brüssel, Rom (wo er 1848 Adam Mickiewicz kennenlernt – dem um 21 Jahre älteren Haupt der polnischen Befreiungsbewegung, dem er ein irriges, messianistisch geprägtes Christentum vorwirft – und Zygmunt Krasiński – mit dem er für Papst Pius IX. eintritt), London …

1844 nachdem Kamila das Verlöbnis mit ihm auflöst, was ihn in eine tiefe Depression stürzt, begegnet er in Florenz seiner unglücklichen Liebe Maria Kalergis (aus dem Hause Nesselrode).
1845 empfängt er in Rom das Sakrament – verbunden mit dem Firmungsnamen Kamil.
Folgt Maria Kalergis nach Neapel, Pompeji, Sorrent, Capri, bis zum Gipfel des Vesuvs.
Später, nach schwerer Krankheit in Rom, nach Berlin. 1846 trifft er sie in Dresden.
1848 muss er in Paris die Abneigung zu ihr erfahren: „deren Lügenlippen Engelsdinge eröffnen“.
1863 heiratet sie einen Oberst der russischen Gendamerie in Warschau – sein Kommentar:
„Die Frau, einst Freundin eines Emigranten, beschmutzt seine Sprache und seine Altäre“.

In den Jahren 1849 bis 1852 wohnt Norwid in Paris. Dort lebt er in Armut, veröffentlicht literarische Werke in der Zeitschrift Goniec polski, begegnet Frédéric Chopin und Juliusz Słowacki.
Am 13.12.1852 emigriert er in die USA – landet nach 62 Tagen Fahrt mit Orkanen und der Cholera an Bord gesundheitlich angeschlagen in New York – besucht Indianergebiete und urzeitliche Wälder – 1853 Nachricht vom Ausbruch des Krimkrieges – kehrt 1854 über London, wo er sich mit William Shakespeare beschäftigt, wieder nach Paris zurück.
Fast blind, fast taub, mit Schwindsucht und anderen Gebrechen.
1855 teilt ihm das russische Außenministerium mit, dass er als Emigrant gilt und alle seine Besitztümer (nicht viele) konfisziert worden sind, wegen seiner Nichtrückkehr nach Russisch-Polen und seiner Tätigkeit in den polnischen Exilorganisationen.

1858 inspirieren ihn Les Fleurs du Mal (Die Blumen des Bösen) des durch Gerichtsprozeß verurteilten Charles Baudelaire.

1862 bietet Norwid dem Leipziger Brockhaus Verlag sein Drama Krakus (1847-51) an, was zur Herausgabe eines Bandes Poezji (Dichtungen) führt – in dem auch der philosophische Essay O sztuce (Über die Kunst, 1858) und die Novelle Cywilizacja (Die Zivilisation, 1861) erscheinen.

1863 bricht in Warschau der Januaraufstand aus. Er reagiert auf den zerbrochenen Flügel, auf dem Chopin Konzerte gab, durch zaristische Söldner mit einem Gedicht: Fortepian Szopena.

1865/66 verfasst er den Zyklus Vade-mecum (lat. „geh mit mir!“ – ein Handbuch für unterwegs) – 100 Gedichte in Anlehnung an Baudelaire – der bei Brockhaus in Leipzig erscheinen soll. Annullierung des Vertrages durch den Ausbruch des Deutschen Krieges zwischen Preußen und Österreich.

1869 trägt Norwid im Mai sein Poem Rzecz o wolności słowa (Über die Freiheit des Wortes, 1868) vor, das mehrere hundert Zuhörer fesselt und bei Władysław Mickiewicz erscheint.

1870 bricht der Deutsch-Französische Krieg aus. 1871 Pariser Commune.

1872 kann er sich aufgrund einer schweren Tuberkulose kaum bewegen und wegen Armut nicht behandeln lassen. Ab 1877 siecht er im Haus des Hl. Kasimir in Ivry an der Peripherie von Paris dahin. 1883 stirbt er im Schlaf.

Er wird zunächst in einem Armengrab beigesetzt – ein Teil seiner Manuskripte und Briefe wird von den Anstaltsschwestern verbrannt – später auf den Polnischen Friedhof in Montmorency im Département Val-d’Oise umgebettet.

Eine Handvoll Erde von seinem Grab wird 2001 mit einer Urne in der Wawel-Kathedrale in Kraków / Krakau am Eingang der Krypta der Nationaldichter beigesetzt.

Norwid verbringt sein Leben in Krankheit, Armut und Einsamkeit – und erwirbt sich damit auch jene Dornenkrone, die dem polnischen Messianismus des 19. Jahrhunderts als wichtigstes Attribut des Dichtermärtyrers galt.

Ein Großteil der Werke Norwids wird erst Ende des 19. Jahrhunderts entdeckt und veröffentlicht, vor allem aufgrund der Initiative des Dichters Zenon Przesmycki. Eine vollständige Sammlung der Werke Norwids veröffentlicht erst Juliusz Wiktor Gomulicki im Jahr 1968 und erneut, mit kritischen Kommentaren, als Pisma wszystkie (Gesammelte Schriften) in 11 Bänden 1971 bis 1976.

Norwid hat neben Gedichten auch zahlreiche Zeichnungen, Radierungen, Gemälde und Aquarelle erschaffen.
Allerdings kann er sein Genie selten in Geld verwandeln.
Kritische Stimmen zu seinem Werk, die ihm Dunkelheit und unverständliche Ausdrucksform vorwerfen (die er gelten lässt – zu seiner Verteidigung), führen immer wieder zu schweren inneren Konflikten.
Sein posthumer Herausgeber Juliusz Wiktor Gomulicki (1909-2006) nennt seine assoziative Methode „Domino“-Stil.

Mit seinem Poem Rzecz o wolności słowa (Über die Freiheit des Wortes, 1868) tritt Cyprian Norwid am 13. Mai 1869 vor ein Publikum polnischer Emigranten in Paris. Im Gegensatz zur Redefreiheit (la liberté de dire) hebt er die an den Schöpfungsgesetzen orientierte Selbstregulierung des Wortes hervor, das sich – in scheinbarer Kraftlosigkeit - über Korrumpierung des Geistes, Lüge und Verschwommenheiten hinweg – zum prägenden Bild der Wahrheit ausformen und einer Epoche die geistige Richtung vermitteln kann …

Die Gegenwart erwächst aus der Vergangenheit …

Das Wort wird heute unterjocht (und yug – das Joch ist die Wurzel von yoga – der Verbindung von individueller und universeller Seele – oder dem Selbst).

Es gibt den Autor und den Vulgarisator (von frz. vulgarisateur, Gehrisch übersetzt Popularisator) – der sich einem möglichst großen Personenkreis in verständlicher und unterhaltsamer Form mitteilt:

Zur Erleuchtung der Massen – so billig wie möglich, umso fataler,
… die Wahrheit … verflacht … erreicht die Leidenschaft von Exkrementen,
Dann leugnet sie den eigenen Vater… das Ideal!
Aber sie wird sich verbreiten wie Feuer – …
Der Autor wandelt ins Dunkel, um ihm das Licht zu entreißen,
Der Popularisator begibt sich ins Licht, um’s über die [Ober-] Fläche zu breiten,

Doch jener, der schöpferisch lebt? getragen vom großen und einsamen Schicksal,
Wo die Schöpferkraft wohnt, also nahe dem Chaos…“

„Die Mehrzahl der Menschen ist mit anderen Dingen befasst, gleichsam versklavt … durch ihr Amüsement“ – so Peter Gehrisch im Nachwort.

„Um das Ganze weiter zu etikettieren …
Wieviel Schnelles ist möglich, verlockend… für Menschen,
Pragmatisch beschäftigt, gelangweilt vom Buch, 
Oder die Zerstreuungs-Methoden für Aufgeräumte,
Spiel und Spaß, deren, die Arbeit tiefer Bohrung ermattet.

Das Sanctum des Wortes!“ (Gesang XI)

Um im Gesang XIII die Herkunft der Slawen (lat. slavi poln. sławni) zu beleuchten.
Im Klang verwandelt Sklave (lat. sclavus, poln. sklawy).
So wenig verwandt wie ein am Kreuz hängender Körper mit einem lorbeernen Kranz.
Wie aus der Schwäche (polnisch słabi die Schwachen) des Wortes (słowo) –
seine Kraft (sława/sławy der Ruhm, berühmt) wurde …

"Es ist die wunderbare Vorahnung einer neuen Poesie, die sich auf die Selbstständigkeit des poetischen Wortes gründet, auf die Idee, dass die Sprache so etwas wie ein eigenes Bewusstsein hat und die Aufgabe des Dichters darin besteht, die Selbstverwirklichung des Wortes zu gewährleisten …" (Oleg Jurjew, Tagesspiegel)

Moja piosnka II (1854)

Do kraju tego, gdzie kruszynę chleba
Podnoszą z ziemi przez uszanowanie
Dla darów Nieba.…
Tęskno mi, Panie…

Do kraju tego, gdzie winą jest dużą
Popsować gniazdo na gruszy bocianie,
Bo wszystkim służą…
Tęskno mi, Panie...

...

Do bez-tęsknoty i do bez-myślenia,
Do tych, co mają tak za tak - nie za nie,
Bez światło-cienia…
Tęskno mi, Panie…

Tęskno mi owdzie, gdzie któż o mnie stoi?
I tak być musi, choć się tak nie stanie
Przyjaźni mojéj…
Tęskno mi, Panie...

MEIN KLEINES LIED

Nach jenem Land, in dem man jeden zu Boden
Gefallenen Brotkrumen ehrfürchtig aufhebt
Als 
Gabe des Himmels…
             Sehn ich mich, Herr…

Nach jenem Land, in dem es als Missetat gilt,
Das Nest eines Storchen vom Birnbaum zu reißen,
Weil es da ist für alle,
             Sehn ich mich, Herr...

...

Ich sehne mich auch nach einer anderen Sache,
Wovon ich nicht weiß, wo, gleichwohl in Unschuld,
Liegt ihre Wohnstatt

             Dahin sehn ich mich, Herr…

Hin zu Ohne-zu-sehnen und Ohne-zu-denken,
Zu ihnen, die Ja für Ja – und Nein für Nein halten –
Und wo Licht von Schatten sich scheidet...
             Danach sehn ich mich, Herr…

1974 erscheint in der DDR eine späte Novelle von Anna Seghers, die aus ihrem mexikanischen Exil in den realsozialistischen Staat zurückgekehrt war: Die Überfahrt, in der der Protagonist wie die Erzählerfigur aus Norwids Novelle Cywilizacja (Die Zivilisation, 1861) den Ozean auf dem Schiff Norwid überquert – Mein kleines Lied begleitet die Handlung ...

Wojciech Bonowicz

(1967 Oświęcim / Auschwitz) lebt in Kraków / Krakau

Im Juli 2020 auf der Suche nach einem passenden polnischen Lyriker sendet mir die in Dresden lebende polnische Künstlerin Monika Grobel-Jaroschewski einen Link zum Goethe-Institut …

Ognik

Jeżeli chcesz iść możesz iść. Jeżeli się położysz
będziesz zdziwiony jak szybko znajdziesz się tam
dokąd się wybrałeś.

FÜNKCHEN

Wenn du gehen willst kannst du gehen. Wenn du dich hinlegst
wirst du dich wundern wie schnell du dich dort befindest
wohin du aufgebrochen bist.

(übersetzt von Renate Schmidgall)

Gedichte schreiben als Lebensstil
„Ferien oder Nachtruhe – braucht ein Dichter poesiefreie Zonen? Wenn ja, wo findet er sie?“

Der Dichter braucht es, tanzen zu gehen, im Schwimmbad zu schwimmen, einsame Waldspaziergänge zu machen, Waldspaziergänge in Gesellschaft zu machen, er muss das Handy ausschalten, er muss sofort anrufen, er muss Fleisch essen, kein Fleisch essen. Er braucht andere Menschen. Er braucht Bilder. Er braucht Schlaf …

Ju Sobing

(1944 Krummhübel-Karpacz / Schlesien) lebt in Radebeul bei Drežďany / Dresden

Am 27.9.2020 trägt die Künstlerin Ju Sobing zur Vernissage ihrer Ausstellung Ein Ort in Worten gemeinsam mit der in Dresden lebenden Polin Monika Grobel-Jaroschewski, die mich eingeladen hat, eigene Gedichte vor.

Ich kehre mit zwei Büchern heim …

Manchmal hör ich mich schweigen (2010)

In den Waldnischen
herrscht noch
der Schnee
Doch da draußen
auf den Wiesen
glänzt es hell
das Märzmorgenlicht
Die Erde feiert –
Auferstehung
Bald löst sich
im Osterglanz
jegliches Weh
Die Welt ist
für einen Augenblick
ganz

Nachtgesang – Nocny śpiew (2016)

An der Oder

Zum Flusse sprach ich:
Küsse meinen Fuß
Er tat es zögernd
Neu war ihm mein Wort
Doch als er es begriff
gluckste er liebevoll:
Du bist mein Kind
Umarmte mich
mit Lauten – fremd
und dennoch heimatlich

Nad Odrą

Rzekłam do rzeki:
Ucałuj mą stopę
Uczyniła to z ociąganiem
Moja mowa była jej nieznana
Lecz kiedy j
ą pojęła
zabulgotała czule:
Jeste
ś moim dzieckiem

Objęła mnie
głoskami – obca
a jednak swojska

(übersetzt von Józef Zaprucki / Jelenia Góra)

Kurz vor dem Ende des II. Weltkrieges im Riesengebirgischen Krummhübel (heute Karpacz) geboren, musste sie als ganz kleines Kind mit ihrer Mutter fliehen …
Tiefe Bindung an die Mutter. Die irgendwann stirbt – Wortlose Erinnerungen
Verlorene Heimat. Sehnsucht nach der Landschaft – mit der Muttermilch eingesogen
Heute lebt und arbeitet sie in Radebeul.

2016 Ausstellung im Edith-Stein-Haus in Wrocław / Breslau.
Im Katalog stellt sie fest:
"Ohne Heimat verfällt der Mensch der Unordnung, … Ist man gezwungen, die Heimat zu verlassen, weiß man erst, was sie bedeutet. Dort wo du hinkommst, bleibst du fremd."

Reminiszenz an H… und G… und …

Denk ich an Deutschland…
bin ich fremd und
doch zu Haus

Dies Land der Dichter und
Täter
Wenn ich an Deutschland denk ---
Und doch
fand ich nichts
Bessres noch.

Wspomnienie o H… i G… i …

Kiedy myślę o Niemczech…

Czuję się obco i
mimo to jak w domu

Ten kraj poetów i
winowajców
Gdy myślę o Niemczech ---
A jednak
nie znalazłam jeszcze

niczego lepszego.

 

běła brjaza (niedersorbisch)

Kito Lorenc

(4.3.1938 Slěpe / Schleife - 24.9.2017 Wuježk / Wuischke)

WORTLAND

Es muss ein magischer Moment im Leben eines jungen Mannes sein – und eines Dichters allzumal: der in der DDR sozialisierte Christoph Lorenz nennt sich von nun an Kito Lorenc –
und wurde wieder zum Sorben.
Sorbisch – seine Muttersprache, die er erst lernen musste.

Eine bewusste Entscheidung für die Minderheit, für das Slawentum, für das Anders-Sein.

Sprachinselland, kein Wasserhindernis –
es ist Łužyca – Lausitz, der Grassumpf, nasser Wiesengrund
im schönsten: ich halte mein Sieb drauf, gleich
springen die Quellen hervor.

Flurnamen in: Flurbereinigung (Berlin und Weimar 1973)

Und 1979 übersiedelt Kito Lorenc auf’s Land in das Dorf Wuježk / Wuischke –
in die Nähe des legendären Czorne Bůh / Czorneboh.
Wo er wohnt bis zu seinem Tod.

In Wortland erscheinen 1984 in Leipzig Gedichte aus zwanzig Jahren.
1990 Gegen den großen Popanz.

Im Sommer 2019 überreicht mir eine Bekannte, die in Bischofswerda wohnt, seine Gedichte von 2013 – erschienen zum 75. Geburtstag des Dichters – ausgewählt und mit einem Vorwort vom Literaturnobelpreisträger 2019 Peter Handke:

“Kito Lorenc hat die sorbische Geschichte noch anders erzählt … auf andere Weise, in seinen Gedichten, wo das spezielle Geschichtswissen übergegangen ist in etwas Universelles, die Ahnung. Und diese Ahnung geht, gedichtweise … in die Bilder … in die Klänge, und wird so Gegenwart …

Kito Lorenc ist ein Kind, ein Kind im umfassenden Sinn, der Landschaft an den Ostgrenzen Deutschlands, der Lausitz, oder, wie sie sorbisch anders schön heißt, der Łužica (ž wie das “j” von Jeanne d’Arc), Kind der Łužica, so wie seine Poesie deren Kind ist, der Bäche, Felder, Hügelwälder, Moore und Heide dort zum einen, des Aneinanderstoßens – auch das in vielerlei Sinn – dreier Länder, eines deutschen, eines polnischen, eines tschechischen zum anderen.
Seine Gedichte sind geboren aus dem sorbischen Dreiländereck, in ein paar Schlenkern oder eher Anspielungen auch aus der weniger heiteren, weniger stillen, weil weniger fruchtbaren Dreistaatenecke.”

белая берёза (bjelaja berjosa) (RUS)

Жил-был (schil byl) – жила-была (schila byla) – жили-были (schili byli) …

Es lebte und war (ein Mann) – es lebte und war (eine Frau) – es lebten und waren …


Marina Zwetajewa (Мари́на Ива́новна Цвета́ева)

(26.9./8.10.1892 Moskau - 31.8.1941 Selbstmord in Jelabuga / Tatarstan)

ÜBERMASS und SCHWÄRMEREI

Diese beiden deutschen Worte liebt und lebt sie – und hält sie für unübersetzbar.
Und Dichter – für Juden. Ihr Mann – Sergej Efron – ist einer.
Mai 1922 Berlin – Prag – Paris. Juni 1939 wieder zurück…
Womit sie ihr eigenes Schicksal prophezeit hat.

Ihre Werke, die auch verstärkt in der Emigration lyrische Prosa einschließt,
sind zu ihren Lebzeiten wenig bekannt.

Schon mit 20 Jahren bekennt sie:

...
Моим стихам о юности и смерти,
–  Нечитанным стихам! – 

Разбросанным в пыли по магазинам
(Где их никто не брал и не берет!),
Моим стихам, как драгоценным винам,
Настанет свой черед.

(Коктебель, 13 мая 1913)

... 
Für meine Verse, Klang von Tod und Jugend, – 
Und niemand las sie je −, 

Die in der Läden Staub verloren scheinen
(Wo niemand sie gekauft hat, niemand kauft),
Für meine Verse wie für alte Weine
Kommt noch die Zeit herauf.

Ende der fünfziger Jahre setzt in ihrer Heimat eine Welle der Veröffentlichung ein: ihre Bücher werden in andere Sprachen übertragen, es wird über sie geschrieben.

Die am 23.5.1920 (mit 27 ½ Jahren) von sich dichtet:

Кто создан из камня, кто создан из глины,– 
А я серебрюсь и сверкаю!
Мне дело – измена, мне имя – Марина,
Я – бренная пена морская.

...

Дробясь о гранитные ваши колена,
Я с каждой волной – воскресаю!
Да здравствует пена – веселая пена –   
Высокая пена морская!



der geschaffen wurde aus stein der geschaffen wurde aus lehm (dunkel)
aber ich bin versilbert und funkel!
mein werk – verrat (verspricht) mein name – Marina
ich – vergängliche gischt des meeres



zerfetzt an euren granitenen knien (dem gericht)
ich mit jeder welle – wiederaufersteh!
ja begrüßt die gischt – die frohe gischt –
die hohe gischt des meeres!


(übersetzt am 5.10.2020)

1974 erscheint ein Poesiealbum, 1980 bei Volk und Welt MASSLOS IN EINER WELT NACH MASS und 1987/89 bei Reclam eine Auswahl mit ihrem Essay über Natalja Gontscharowa (von 1929) herausgegeben von Fritz Mierau mit Übersetzungen von namhaften Lyrikern wie Elke Erb, Sarah und Rainer Kirsch, Adolf Endler, Uwe Grüning und Richard Pietraß.

Seit 1986 in Tarussa bei Moskau finden jeden ersten Sonntag im Oktober weltweite LESUNGEN AM LAGERFEUER statt – seit 2006 im Deutsch-Russischen Kulturinstitut in Dresden.

2019 übersetze ich zum Ein-stimmen GEORGIJ (von 1921) – Sankt GEORG, der Nationalheilige der alten Rus…
den die Gontscharowa 1912 als erste ihrer „mystischen Gestalten des Krieges“ er-innert...
den die Zwetajewa schon 1904/05 in Freiburg im Schwarzwald an einem Tor wieder-erkennt...
der der Name ihres zukünftigen Sohnes wird, der 1944 im Krieg fällt…
den ich 2020 vortrage, bevor Olga das Original im unnachahmlichen Rollen des Russischen dem kleinen eingefassten „Feuerchen“ entgegen-wirft: gut, eine Schale eben –
aber immerhin auf drei Beinen…


SO 8.10.2023 17:30 Zwetajewa-Lagerfeuer - Цветаевский костёр в Дрездене
im Deutsch-Russischen Kulturinstitut (Zittauer Str. 29)

> Impressionen 2022 (Video vom Russischen Haus in Berlin 03:31) hier

Arseni Tarkowski (Арсений Александрович Тарковский)

(25.6.1907 Jelisawetgrad / heute: Ukraine - 27.5.1989 Moskau)

DER FLUSS SUGAKLEJA MÜNDET IN DIE ELBE - Река Сугаклея уходит в Эльбу ...

Weiten Kreisen bekannt geworden sind Arseni’s Gedichte durch die Filme seines Sohnes Andrej Tarkowski besonders im SPIEGEL von 1973/74, der ursprünglich "Белый, белый день" (Bjely, bjely djen) heißen soll – nach dem Gedicht aus dem Kriegsjahr 1942, wo er seinen Vater am Wegesrand stehen sieht: WEISSER WEISSER TAG …

Nach ersten Gedichtveröffentlichungen im Jahre 1926 darf er erst 1962 als 55jähriger seinen ersten Lyrikband publizieren. Er lebt von Übersetzungen.

In der Wende der DDR erscheinen 1989 in einem Poesiealbum und 1990 in der legendären „Weißen Reihe“ AUF DER ANDEREN SEITE DES SPIEGELS die Übersetzungen von Katja Lebedewa und Lyrikern wie Uwe Kolbe.

...
Живите в доме — и не рухнет дом. 

Я вызову любое из столетий,
Войду в него и дом построю в нем.
Вот почему со мною ваши дети
И жены ваши за одним столом, —
А стол один и прадеду и внуку:
Грядущее свершается сейчас, 
И если я приподнимаю руку,

Все пять лучей останутся у вас. 
...

...
Ich rufe ein beliebiges Jahrhundert,
Ich bau ein Haus darin und geh hinein.
Wohl darum sitzen mit mir eure Kinder
Und eure Frauen um den Tisch vereint –
Der eine Tisch für Großvater und Enkel:
Das Künftige vollendet sich schon heut


aus: „жизнь жизнь“ (schisn schisn, 1965) – „Leben Leben“ übersetzt von Katja Lebedewa

Seine Gedichte sind mir seit jener bewegten Zeit immer gegenwärtig geblieben.

Anfang des Jahres 2013 übersetze ich "Первые свидания" (Pervye svidanija, 1962) –
ERSTE WIEDERSEHEN (bei Katja Lebedewa 1989: Erste Begegnungen / Anne Seidel 2019: Erstes Zusammensein).
Im Laufe des Jahres erscheint REGLOSE HIRSCHE mit „gehörnten“ (eigen-willigen) Übertragungen von Martina Jakobson.
Angestachelt übersetze ich 2015/16 weitere Gedichte.

Am 16.11.2016 zu den Osteuropäischen Filmtagen im Schwarzen Salon des Kino In der Fabrik nach Arvo Pärt’s SPIEGEL IM SPIEGEL (1978) und vor Andrej’s SPIEGEL (1974) rezitiere ich ERSTE WIEDERSEHEN.

Und im Juli 2018 schließt sich ein weiterer Kreis: als ich Katja Lebedewa, die Arseni Tarkowski anläßlich der Buchherausgabe noch persönlich begegnet, in Berlin-Karlshorst kennenlerne und ihr (der ersten Übersetzerin) die Version meines Lieblingsgedichtes in Reimform hinterher-schicke.

Am 27.5.2019 – zum 30ten Jahresring der Rückkehr seiner Seele in den Dichterhimmel – zelebrieren wir zum ersten Mal eine LESUNG AN DER PRIESSNITZMÜNDUNG – der Auftakt zu einer Tradition zusammen mit Natascha und Olga und anderen Lyrikliebhabern des Russischen Literaturklubs:

der Fluss Sugakleja mündet in die Elbe…

frei nach dem Gedicht "Река Сугаклея уходит в камыш" (Reka Sugakleja uchodit v kamysch) von 1933, ein Jahr nach der Geburt des Sohnes Andrej, der an einem Zeit-Fluss steht, wo der Vater zur Welt kommt und aufwächst…

Am 19.6.2020 – jetzt zur Geburt des Dichters – geschieht worauf ich gewartet habe:
es regnet
… 
und wir müssen uns bewegen – unter die Bäume, deren Blätter unseren Blättern Schutz bieten: „sich regen bringt Segen“ …

И все навсегда остается таким...

А где стрекоза? Улетела. А где 
Кораблик? Уплыл. Где река? Утекла. 

und alles bleibt so für alle zeit…

und wo ist die libelle? weggeflogen. und wo
das schiffchen? weggetrieben. wo der fluss? verfloss.

(übersetzt 2015)

Und am 2.6.2023 – Aller guten Dinge sind drei!!! – bei Sonnenuntergangsstimmung wieder an der Prießnitzmündung sind wir ZU SECHST – mit Natascha und Olga, ihrem Mann Georgi & Tochter Lera, Sima aus Jelisawjetgrad die Река Сугаклея – Der Fluss Sugakleja (von 1933) vorliest und uns ein Foto vom breiten Fluss zeigt: kein Bach! nur ruhiger als die Elbe …

Wir lesen spontan Стoл накрыт на шестерых (1940/41) – Sechs Gedecke aufgetischt (in der Übersetzung von Klaus Laabs (1990) – bei Martina Jakobson „Sechs Weinkelche auf dem Tisch“ (2013) – wörtlich: „der Tisch gedeckt für sechs“) und die Antwort (vom 6.3.1941) auf das von ihm Gehörte der sich als DIE SIEBENTE (ganz Deviza – alles bei-sam!) an den Rand des Tisches sehnenden-sehenden Marina Zwetajewa (die noch im selben Jahr am 31.8. in den Freitod geht) …

… und mittendrin kommen noch Swetlana (mit der ich im Herbst beim Zwetajewa-Lagerfeuer zusammen gelesen habe) und David – da sind wir schon ACHT : DIE UNENDLICHKEIT! …

und haben voller Freude die uns so nahen DICHTER-AHNEN an den luftigen Tisch geladen –
und sie sprechen zu uns: wie am ersten Tag …


MO 27.5.2019 / FR 19.6.2020 / FR 2.6.2023
18 Uhr Der Fluss Sugakleja mündet in die Elbe - Река Сугаклея уходит в Эльбу ...
Begegnungen mit der Lyrik von Arseni Tarkowski - Свидания с поэзией Арсения Тарковского  an der Prießnitzmündung

BALLADE – im wissenden wasser (CZ-D) +


Zum Lob der Ballade

1957 erscheint Das deutsche Balladenbuch im Greifenverlag zu Rudolstadt.
Herausgegeben hat es mein Großvater Fritz Zschech (1890-1965).
Bekommen hat es sein Sohn Friedemann Zschech (1941-2020). In der Tradition seines Vaters – datiert: 3.10.1957.
2003 nach einem Wohnungsbrand hat es meine Mutter geklebt.
Nach dem Tod meines Vaters geht es über in meine Hände …

Im Nachwort lese ich:

„Damit sei begonnen. …
Es scheint uns an er Zeit, einer neuen Wertschätzung der Ballade den Weg zu bahnen. Die knappe Aussage – wesentlich auf der Darstellung von Geschehen basierend, Tatsächliches widerspiegelnd oder heraufbeschwörend, jede Möglichkeit dichterischer Gestaltung wahrnehmend, ob mehr episch erzählend aus vergangener Zeit, lyrisch verweilend im Drumherum der Sphäre oder dramatisch spannend in Konflikt und Katastrophe – ist es, die für die Pflege der Balladendichtung spricht; um so mehr, als nach bisher vielfach einseitiger Betonung der Vergangenheit als Stoffquelle und Inhalt, … ein Aufgreifen der Anliegen unserer Gegenwart durchaus zur Balladenform passt, ja, in der Betonung des Dynamischen, das dieser Form gemäß ist, sie in unserer Zeit stürmischen Werdens geradezu wesensgleich einordnet. Die echte Ballade hat unmittelbaren Bezug auf das, was jeden Menschen angeht.“

Goethe schreibt in seiner Betrachtung und Auslegung im Jahrgang 1821 von Kunst und Altertum:
„Übrigens ließe sich an einer Auswahl solcher Gedichte die ganze Poetik gar wohl vortragen,
weil hier die Elemente noch nicht getrennt*, sondern wie in einem lebendigen Ur-Ei zusammen sind, das nur bebrütet werden darf, um als herrlichstes Phänomen auf Goldflügeln in die Lüfte zu steigen.“

* alle drei Grundarten der Poesie: Epik – Lyrik – Dramatik

Carl Spitteler in Lachende Wahrheiten (1917):
Wer schreibt Balladen? Der Lyriker.
und definiert sie als „indirekte Lyrik; Lyrik mit einer Maske vor dem Gesicht

Unser Wort Ballade ist im letzten Drittel des 18. Jh. aus England und Schottland zu uns gekommen.

Herder fragt in einem Briefwechsel über… die Lieder alter Völker (1773):
„was kühn geworfener, abgebrochener und doch natürlicher, gemeiner, volksmäßiger sein kann“

„Dieser große Anreger gibt mit diesen Bezeichnungen die Richtung an, wie allein man dem Neuen gerecht werden kann: Von der Antike und der Gelehrsamkeit her geht der Zug zur Sorgfalt in der Form bis zur Kühle des Regelrechten, das vorwiegend vom Verstand zu würdigen ist. Vom Natürlichen und Volksmäßigen dagegen geht die Tendenz zur Betonung der inhaltlichen Aussage, die mit dem Ausdruck des unmittelbaren Gefühls die Sprache der Lebenswirklichkeit spricht. Um es recht deutlich zu sagen: Wenn an gleicher Stelle wilde Art gegen Letternart, Leben gegen Buchstaben gesetzt ist, so mutet es aufschließend an wie die Schwesterkunst die Antwort auf die Frage, wofür der Maler schafft, für das Museum, die Distanz, oder für den bewohnten Raum, die Nähe.“

Nachbarschaft mit dem Volkslied durch Sangbarkeit erwiesen
„wir erfahren, dass die Ballade früher bei den romanischen Völkern ein Tanzlied war, wie es ihr Name ursprünglich aussagt, also ein Lied im Tanzrhythmus, dessen Inhalt aber schon Wiedergabe einer Handlung sein mochte.“

„Stellung wird im allgemeinen nicht genommen, denn das Ich des Autors … tritt ganz zurück.
Stellung wird der Hörer oder Leser nehmen, geführt von der Sache, mehr noch von der zielenden Gestaltung. Darum sinnvoll die Kürze des Ablaufs, erreicht durch knappe Andeutung alles Beiwerks um eine zentrale Handlung, darum rasches Hineilen zur Katastrophe, die durch von vornherein tragisch angelegten Stoff und düstere Stimmung vorbestimmt erscheint. Ob in privatem Liebesabenteuer oder historischer Heldentat, gleichviel auf welchem Schauplatz und in welcher Zeit, immer verbindet sich die Spannung zwischen den einzelnen Vorgängen mit der Bedeutung des allgemeinmenschlichen Bezugs, die Aufmerksamkeit auf das Dargestellte mit der (trotz gelegentlichem Verschleiern in Schicksals- und Märchenspuk) stets irgendwie gesicherten Lebenswahrheit. Es gibt in der Stoffbehandlung das Betonen des Dämonischen oder des Mysteriösen oder des Symbolischen oder des Schicksalsgebundenen, es gibt den Griff in die Umwelt oder die geschichtliche Schau, es ist eine bunte, schier unbegrenzte Vielfalt im Stofflichen, die die Ballade vor uns ausbreitet, eine gemessenere Vielfalt auch in allem, was Form heißt. Das alles umfassene Eigene ist aber auch zu erspüren, die harte Gegensätzlichkeit, die dem Menschen von innen oder außen als Hemmung in den Weg geworfen ist, als Tatsächlichkeit und ihre Bestätigung als Aufgabe, als drängende Forderung an den aufnehmend Teilnehmenden, lesend oder hörend seinen Anteil Wahrnehmenden.“

The Lady of Shalott

ist eine Ballade in vier Teilen von Alfred Tennyson über die Sagenfigur der Elaine aus dem Artusroman, die er 1832 veröffentlichte und für seine Gedichtsammlung Poems von 1842 überarbeitete.

Die Lady von Shalott lebt, durch einen Zauber gefangen, in einem Turm auf einer Insel mitten im Fluss, der nach Camelot fließt. Sie lebt dort ganz allein, und nur Schnitter (reaper), die auf einem nahegelegenen Feld ernten, berichten von ihren Gesängen. Sie verwebt die Bilder, die sie sieht, wenn sie in einen magischen Spiegel schaut, in einen endlosen Teppich. Aus dem Fenster darf sie nicht schauen. Eines Tages erblickt sie den Ritter Lanzelot im Spiegel, und um ihn besser sehen zu können, blickt sie aus dem Fenster und verliebt sich in ihn. In diesem Moment zerbricht der Spiegel, und ein Fluch geht in Erfüllung.

Sie besteigt ein Boot, um nach Camelot zu gelangen, auf den Bug schreibt sie ihren Namen. Die Lebenskräfte der Lady von Shalott schwinden, je weiter sie sich von der Insel entfernt. Sterbend singt sie ein letztes Lied. Das Boot treibt nach Camelot an Artus’ Hof, dort ist man betroffen und erstaunt von ihrer großen Schönheit, die man so noch nie erblickt hatte. Lanzelot kann es in Worte fassen und bittet Gott, er möge der Lady von Shalott seine Gnade schenken.

Musikalisch wurde der Text 1991 von Loreena McKennitt auf ihrem Album The Visit verarbeitet.

Dieses Liedes verzaubert mich derart, dass ich es am Freya-Tag des 5.5. im Jahre 2017 nach dem schmerzvollen Tod des wiederauferstehenden Liebenden in meiner Sprache höre … und nach dem Flüstern in das geneigte Ohr meiner Liebsten im Hinterhof meines Prager Lieblingscafés auf der Malá Strana zum Beltane-Vollmond des Jahres 2018 mit dem Ende der Glockenschläge zur Midnight gemeinsam mit ihr in seine fließende Form gebracht habe …


And moving through a mirror clear 
That hangs before her all the year, 

Shadows of the world appear. 
There she sees the highway near 
       Winding down to Camelot.
And sometimes thro' the mirror blue 
The Knights come riding two and two. 

She hath no loyal Knight and true, 
       The Lady of Shalott. 

im klaren spiegel sich bewegen
der vor ihr hängt ihr ganzes leben
die schatten dieser welt sich regen
darin sieht sie die straße nahe streben
       gewunden hinab nach Camelot
und manchmal durch des spiegels blau
reiten die ritter zwei und zwei
sie ist nicht eines treuen ritters frau
       die Lady von Shalott


weißes weißes wasser – vede voda vede

(2018/19)

Im September 2018 ertönt nach langer Weile durch němec eine Ballade von der Elbe (Labe).
Einen Mond später sitze ich mit der Übersetzerin Přemysla Klobouková im legendären Café Slavia in Praha / Prag und spreche es zum ersten Mal – und ihre Schwester Vltava (Moldau) hat mit gelauscht ...
Im Mai 2019 konnten meine tschechische Freundin Eva und ich uns zum ersten Mal am ganzen Gesang berauschen: ich český – sie deutsch

Und ein Jahr später spricht die Ballade auch noch angelish white white water

KRÁL VUGLBÄRBAAMs töchter

(2022)

In der Nacht zum Tag des Thor am 31/03/2022 wache ich auf – stehe auf und sehe – 05:00 …
Und notiere mir, was mich bewegt hat : TRAUM-HATz MICH oder ich fress dich

Um 06:21 schreibe ich ein Gedicht vom 19/02/2019 zu IMbOlg weiter, das einer Ski-Tour von Cínovec (Zinnwald) zur Komáří Vížka (auf dem Mückenberg) entsprungen ist …

Und in der Nacht zu Freyas-Tag am 01/04/2022 wache ich auf – stehe auf und sehe – 00:49 …
Nun jagt eine Taste die andere seitenweit entlang … die Ballade zu der jungfräulichen Mücke Türmchen

Was mich da gestochen hat?!

Es war einmal, dass einer zu seiner Hochzeit spät und weit geritten ist, und den Elfen auf grünem Land begegnen wird – die tanzen da – und nie bei seiner Braut ankommt …

Und wieder war es einmal soweit, dass einer von Zinnwald nach Eichwald (Dubí) geritten ist, und im Seegrund dem Waldweibl begegnen wird …

Und welcher du wohl begegnest?!

die wege INS BÖHMISCHE ČECHY 
der name ist ein ZEICHEN des weges 
EIN-GESCHRIEBEN 
… 

DER AHNEN REIGEN 


dům mrtvÝch můr – das haus der toten nachtfalter

(2022)

Am 25.6.2022 sind wir im Osterzgebirge nach unserer Lyrik-Lesung in der St.-Wolfgangs-Kapelle am Fuße der Komáří hůrka (Mückenberg) aus Anlass von 30 Jahren Euroregion Elbe-Labe zwischen den Ruinen des durch die Tschechen nach 1945 abgetragenen Dorfes Vorderzinnwald (Přední Cínovec) unterwegs mit Jan Kvapil, einem rede-reichen Germanisten aus Ústi nad Labem (Aussig) …

Er zeigt uns einen Hügel – auf dem einmal das Haus des Bergarbeiters Josef Kühnel gestanden hat – und erzählt uns die Geschichte des Brandes in der Adventszeit des Jahres 1915, wo der Vater, am Morgen von seiner Nachtschicht zurückgekehrt, nur noch die verkohlten Leichen von 2 seiner 11 Kinder vorfindet …

Am nächsten Tag geht Michael Čech durch das Haus der toten Nachtfalter

Die Balada wird von Jan Kvapil übertragen – und wir tragen sie gemeinsam zum Grenzsteinfest am 10.9.2022 vor.

22.11.2022 VIΛ BOHÉMIA

2022 wird durch Vin brΛnd von Ende September bis zum verträglich gesetzten 22.11. eine Ballade von der narrenden Barke entblättert …

Der Salto mortale einer schrägen Tour der überschwenglichen Elbe und des gehörnten Dresden mit – 22 Dessert-Fantasien im Ésprit der mittelalterlichen Fatrasien mixed with the Spirit-off fast-food-Poetry-Slam – auf einem Dampfer, dessen durch-die-Welt-steuernder Verstand manOOhhh :’ Feuer fffängt

Die ersten Häppchen – die aus der Vasel-nachts-Λsche wiederauferstanden sind – konnten am vollmondigen GrünDonnerstag des Jahres 2023 im Café tanteleuk unter der KuK- (Kaffee-und-Kultur-) Ausrichtung von Jörg Stübings Büchers Best bereit-willige Gaumen kitzeln …

HIDDEN SEE +

über deinem himmel das unendliche meer

ich erinnere mich noch gern an meine kindheit, wenn wir in den herbstferien mit der familie auf DIE INSEL gefahren sind, wo noch so wenig los war – außer wenn der dresdner kreuzorganist in der inselkirche gespielt hat und sich die wände gebogen haben …
wie wir einmal durch starken nebel auf der insel festgesteckten: die schule musste warten und wir haben ein paar tage insel-zauber geschenkt bekommen …
wie ich nachts zum ersten mal im unendlichen meer einen strom aus milch gesehen habe …

das war einmal – und war auch nicht …

was bleibt? – das habe ich in den sand geschrieben …

DER KLEINE INSELFRIEDEN

(2015)

Gedichte von 1992 bis 2015, die die salzige Luft der Ostsee eingeatmet haben, die mit einigen Tropfen vom heidnischen Geist slawischer Ahnen und von christlichen Gebeten klösterlicher Mönche getränkt ist.

30.5.2015 Henni-Lehmann-Haus / Vitte
malerei Willi Berger († 8.11.2018) Der kleine Inselfrieden (1993)
lyrik Michael Zschech
musik Axel Kabbe

das herz der insel
hört
auf

die welle
die das ufer begehrt

geheimnisvoller stein
in einer welt
aus tang

 

in memoriam Frank Dehlis († 2017) und sein Hiddenseemagazin

MEIN KLEINER INSELFRIEDEN

19.05.2015 Vor einer Weile habe ich über eine Bekannte von Frank Dehlis und seinem Hiddenseemagazin erfahren – habe mich für einen Moment gewundert, dass das Hiddenseemagazin in Dresden zu Hause ist – und nun sitzen wir uns in seinem Büro gegenüber, er in gestreiftem Matrosen-Shirt, und ich erzähle von meinem anstehenden ersten Lyrik-Abend auf der Insel zu einem Bild von Willi Berger – und er von seiner geplanten Ausgabe mit dem bekannten Inselmaler.
BÖHMEN AM MEER (so hieß es schon bei Volker Braun) – und wieder ist die Insel der SEEHNSUCHT (die T-Shirts lassen grüßen) IN WEITER FERNE SO NAH…

27.03.2015 In einer Stunde beginnt im Henni-Lehmann-Haus die Ausstellungseröffnung mit dem sachlichen Titel WILLI BERGER – 60 JAHRE INSELMALER und ich muss meinen 5-jährigen Sohn dazu bringen mitzukommen – er hat natürlich keine Lust und will lieber auf den Spielplatz: Gut, eine Stunde Spielplatz, eine Stunde Willi Berger!
Auf dem Spielplatz dreht er sich mit der Schaukel und ich sehe wie ein kleines Kind den Holz-Esel küsst und sage zu seiner Mama: Oh, da wird sie ja gleich einen kleinen Prinzen haben! Sie erwidert trocken: Ich hoffe nicht, er ist ein Junge!
Im Henni-Lehmann-Haus stürmen wir das Buffet wegen Apfel-Schorle, das Lieblingsgetränk meines Sohnes, und wir setzen uns gemütlich an den Rand.
Dr. Konrad Glöckner, das Pastorengewand abgelegt und in die Rolle des Kulturpredigers geschlüpft, beginnt volltönend als gelte es das Kirchenschiff auszufüllen – Willi Berger, der in sich versunken auf einem Stuhl sitzt, ist 92 Jahre alt und bei seinem Hörgerät scheinen die Batterien runter zu sein…
Der Redner neckt den Maler – Vertrautheit blitzt immer wieder auf, Insulaner unter sich – und doch wird der Außenstehende mit hineingezogen in die farbenfrohe Geschichte eines Mannes der wegen der Vögel auf die Insel kam, hängen blieb und sein Herz durch seine Bilder über die Insel ausschütten kann.
Und da sehe ich es wieder – das Bild das auf dem Podest auf der Leinwand steht – das so ganz anders ist, herausgehoben unter den anderen Bildern, schwebend über dem Boden: DER KLEINE INSELFRIEDEN von 1993, das Jahr in dem ich nach Hiddensee auswandern wollte – als Postbote unterwegs auf dem Fahrrad, eine romantische Vorstellung wie sich herausstellte…
In diesem Bild erscheint Hiddensee als mythische Insel über der Sonne und Mond Hochzeit feiern, der Taufengel hat sich in eine barbusige Meerjungfrau verwandelt – und der Hund streunt um den Maler mit seiner Staffelei…

30.03.2015 Gehe mit meinem Sohn ins SCHWALBENNEST und frage Willi Berger nach dem Bild. Im Firnisdunst stapeln sich die Leinwände, ein einziger Wust – eigentlich müssten die Postkarten hier sein… hier müsste mal jemand aufräumen, aber ich komme nicht dazu… und findet nichts – belustigt sage ich etwas von Ostereierverstecken, wo man Geduld braucht – da sehe ich die Postkarte an der Decke hängen. Ich solle sie herausnehmen und den Rahmen wieder hinhängen – ein Fenster in der Luft…
Beglückt frage ich ihn, ob ich einen Ausschnitt aus meinem zwei Tage alten Gedicht DER KLEINE INSELFRIEDEN vorlesen kann, das ich für ihn mit der Hand abgeschrieben habe – Moment! – er setzt sich in den Sessel und blickt mich durch seine Brille aufmerksam an…

… und er applaudiert.
Mein Sohn bekommt von ihm zum Abschied eine alte DDR-Postkarte mit der Fähre drauf – mit der sein Vater als kleiner Sohn mit seinem Vater zur Insel gefahren ist...

Als ich Willi Berger wegen des Lyrik-Abends einige Wochen später anrufe, kann er sich erinnern und verrät mir schmunzelnd, dass er angefangen habe das Gedicht auswendig zu lernen – dass es aber kompliziert sei. Jetzt muss ich schmunzeln…

(20.05.2015)

HIDDEN SEE HAIKU

(2018)

Während 15 Tagen Herbstferien 2018 empfangen, erscheinen im Dezember hidden see haiku in der ersten eigenen Edition von 15 Postkarten mit Bildern von Dirk Heerklotz (Dresden).

Haiku sind drei Zeilen, die aus einer einmaligen offenbarenden Erfahrung heraus ihre bestimmte Form finden, deren Silben traditionell gezählt werden.

POESIE DES WEINS – außer-sich-sein +


Im Wein steckt – das Glas das zerspringt …


Am 17.10.2014 feiern wir in der Buchhandlung LeseLust gemeinsam mit Buchhändler Sven Bernitt und Musikus Axel Kabbe die erste WeinLese.

In vino veritas
Dass der Wein eines der ältesten Kulturgüter der Menschheit ist – ist eine bekannte Wahrheit.
Aus den Sinnsprüchen des persischen Mathematikers, Astronom, Philosophen und Dichters Omar Chajjam (11./12.Jh.) taucht noch etwas tiefer Liegendes auf …

Wacht auf – und füllt den Kelch,
bevor des Lebens süßer Saft
in seinem Kelch getrocknet ist.

Und am 10.07.2021 belesen wir den Festplatz am Leitenweg des Pillnitzer Weinberges gemeinsam mit Radek Fridrich aus Děčín (Tetschen) zur tschechisch-deutschen Vinné Linie – und den gefüllten Gläsern von Kahlert’s Weinmanufaktur

Gestern zerschlug ich meinen Krug mit Wein
In meiner Trunkenheit an einem Stein.
Da sprach des Kruges Scherbe: „Wie du bist,
War ich, und wie ich bin, wirst du einst sein.“

Das Rubai 24. ist übertragen worden von Friedrich Rosen (1919).

Und erfahren:
„Der Gedanke, dass die Schönheit nur durch Leiden erreicht werden kann, kehrt häufig in der persischen Dichtung wieder, so z.B. in folgendem Vers von Hafis:

Durch endlos Harren, sagt man, kann der Stein,
Der in der Tiefe ruht,
Sich zum Rubin entwickeln. – Ja, er kann’s
Jedoch mit seines Herzens Blut!

MYSTIC LYRIC +

    bhagavad-gita

     dao-de-jing

    shir ha-shirim

  vijnana bhairava tantra


      Omar Chajjam

       Attar

        Rumi

           Lalla

 

Bhagavad-Gītā – Der Gesang des Erhabenen

(verschriftlicht 200 v. - 100 n. Chr.)

1990 mit 18 Jahren mitten in einer Wende-Zeit auf der Suche nach Orientierung kaufe ich mir die Reclam-Ausgabe der Bhagavad-gītā in der Übersetzung des Leipzigers Klaus Mylius.

1991 auf dem Weg zum Studium treffe ich vor dem Hauptbahnhof junge Leute in hellen Gewändern, deren Gesichter bemalt sind, die singen und mir ein Buch geben wollen. Es ist eine Prachtausgabe in Leder gebunden – in goldenen Lettern prangt der Titel: Bhagavad-gītā – Wie sie ist. Ich blättere darin – sie ist von Swami Prabhupada, dem Gründer-Acharya der Internationalen Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein. Ich gebe sie zurück – und bestelle sie …

1992 ziehe ich mich auf meine Insel zurück – eine einjährige Aus-Zeit.
Und entscheide mich für die Kleine:

2.22
Wie ein Mann die abgenutzten Kleider ablegt
und andere, neue nimmt,
so legt die Seele die verbrauchten Kleider ab
und tritt in andere, neue ein.

Ich komme nicht über das zweite Kapitel hinaus …

2004 fahre ich zu meiner Yogalehrer-Ausbildung – im Gepäck die Große.
Zur schriftlichen Abschlussprüfung sollen wir einen Vers auswendig rezitieren und kommentieren.
Und ich erinnere mich:

7.7
O Eroberer von Reichtum, es gibt keine Wahrheit über Mir.
Alles ruht auf Mir wie Perlen auf einer Schnur.

2012 wechsel ich die Seite und beginne die Gītā im Yoga Vidya Zentrum zu unterrichten.

So kommt aller guten Dinge sind drei die Shrimad Bhagavad Gita von Swami Sivananda (engl. 1995 dt. 2003) dazu.
Im Anhang finde ich als Erinnerungshilfe die Gleichnisse (upamā smṛtā).

Und im Internet unter www.ramakrishna.de ein riesiges Wort-Wurzel-Werk, das noch im Entstehen begriffen ist …

Vom 8.-13.8.2012 höre ich den eigenen Ein-Klang durch die 23 Gleichnisse.

Am 24.3.2007 und 9.11.2014 hält der Ayurveda-Experte Elmar Stapelfeldt in Dresden 2 Vorträge über die Gītā.
Und noch im späten Monat November fahre ich nach Berlin zu einem Bhagavadgītā-Seminar mit R. Sriram, dem Schüler von Desikhachar aus der Krishnamacharya-Linie.

Im Frühjahr 2019 bekomme ich schließlich als Ausgleich für ein kleines Gruppenseminar zum Devī-Māhātmya die englische Ausgabe vom letzten großen Meister des Kashmir-Shivaismus geschenkt: Bhagavad Gita – In the Light of Kashmir Shaivism revealed by Swami Lakshmanjoo (2013 edited by John Hughes).

Im Vishnu-Purana VI.5,78 erfährt man was bhagavān – ein Erhabener ist:
„Bezeichnung für jemand, der die Erschaffung und Auflösung des Universums, das Werden und Vergehen der Lebewesen und die Bedeutung von Wissen und Nichtwissen erkannt hat“.

Von einem Schüler bekomme ich einen handgeschriebenen Zettel zugesteckt plus CD und einem Song mit Bhagavadgita-Zitat …

1965 erklärt der deutsche Wissenschaftler und geistige Vater der Atombombe Robert Oppenheimer (1904-67) in einem Interview über die Trinity Explosion
We knew the world would not be the same. A few people laughes, a few people cried, most people were silent. I remembered the line from the Hindu scripture, the Bhagavad-Gita. Vishnu [seine Inkarnation Krishna!] is trying to persuade the Prince that he should do his duty and to impress him takes on his multi-armed form and says, ‘NOW I become DEATH, the destroyer of worlds.’ I suppose we all thought that, one way or another.”

Und die Verse auf die er sich bezieht stehen ausgerechnet in der Offenbarung – die das Zeug zur Apokalypse hat – worauf ich mir 2022 meinen eigenen Reim mache …

11.32
NUN sprach der erhabene herr
ICH BIN DER ZEIT (kālo ’smi) welten-kaputt-macher (loka-kṣaya-kṛt) MÄCHTIG
und zu vernichten hier alle zugleich damit beschäftigt
außer dir wird keiner mehr sein
nicht einer der auf beiden gegenüber-liegenden seiten stehenden
kriegerlein (yodhāḥ)

(MZ 3.5.2022)

Kein Wunder, dass Albert Schweitzer die Gītā als missverstanden verteufelt hat …

Die große Seele Mahatma Gandhi jedenfalls resümiert:
„In der Bhagavadgita finde ich einen Trost, den ich selbst in der Bergpredigt vermisse. Wenn mir manchmal die Enttäuschung ins Antlitz starrt, wenn ich verlassen, keinen Lichtstrahl erblicke, greife ich zur Bhagavadgita. Dann finde ich hier und dort eine Strophe und beginne zu lächeln, inmitten aller Tragödien, und mein Leben ist voll von Tragödien gewesen. Wenn sie alle keine sichtbaren Wunden auf mir hinterlassen haben, verdanke ich dies den Lehren der Gita.“

Denn die Gītā ist vor allem eins – ein Kampf mit den ur-eigenen Emotionen: Angst und Zweifel, Sehnsucht und Zorn …

Und shruti – eine zeitlose Offenbarungsschrift auf die man hören kann: 
„Was hier gefunden wird, kann woanders auch gefunden werden.
Was hier nicht gefunden werden kann, kann nirgends gefunden werden.“

 

DÀO-DÉ-jīng – Das Buch vom DAO und DE

Laozi (Laudse) „Alter Meister“ (etwa 6. Jh. v.u.Z.)

1990 – mitten in der bewegten Wende-Zeit – erscheint die 6. Auflage vom Daudedsching in der Übersetzung von Ernst Schwarz, in dem alle Wörter mit Ausnahme von Dau und De kleingeschrieben sind und fast alle Satzzeichen vermieden werden.

1998 gehe ich zum Studium nach Berlin und dort fällt mir in einem Schöneberger Antiquariat The Tao of Power, Lao Tzu’s Guide to Leadership, Influence and Excellence des Amerikaners R.L. Wing in der deutschen Ausgabe Der Weg und die Kraft von Peter Kobbe (1999) in die Hände. Und ich entdecke in den Kalligraphien und Erläuterungen die Essenz der Zeichen-Sprache.

2003 zurückgekehrt nach Dresden begegne ich wieder meinem ehemaligen Klassenlehrer Matthias Richter, den sein Weg nach der Ausreise von Berlin über Hamburg nach Amerika geführt hat, und der sich als Professor für Sinologie auch mit drei 1973 bzw. 1993 entdeckten Manuskript-Fassungen als Grabbeigaben aus Seidenrollen bzw. dünnen Bambusstreifen befasst hat.
Er ermuntert mich zu meinem assoziativem Lesen – und zeigt mir deutlich die Grenzen unseres heutigen Verständnisses aus seiner historischen Annäherung auf.

Am 28.6.2018 liest Viktor Kalinke aus seinem Daodejing (2000/15) im Dresdner Stadtmuseum, in dem er jedes Wort mit seinen Wurzeln in Zeichen – Laut – Bedeutung wiedergibt und in einem 2. Band das Deutungsspektrum durch Anmerkungen und Kommentare erweitert.

Vom 30.6. bis 2.7. entstehen innerhalb von 3 Tagen & Nächten 18 eigene, teilweise gereimte Variationen der 81 Kapitel. 

Kapitel 78
nichts in dieser welt
ist weicher und schwächer als wasser
doch greift es das starre und starke an
und nichts kann es davon abhalten
durch das was nicht ist
fällt es ihm leicht

schwaches wird starkes besiegen
weiches wird hartes besiegen
wer in dieser welt weiß das nicht
doch keiner der danach handelt

wahre worte
wirken widersprüchlich

(30.6.2018)

Die Geschichte wie diese Verse zu uns gekommen sind ist legendär: Laozi (Laudse) soll seinen Dienst als königlicher Archivar und Schrifthüter quittiert und sich auf den Weg gemacht haben, um sich in die Berge zurückzuziehen. An der Grenze wird er von einem Zöllner festgehalten – er dürfe erst weggehen, wenn er sein Wissen zurückgelassen habe …

„Das Daodejing läßt sich gerade als Sammlung von formelhaften Sprüchen verstehen, die zur Meditation genutzt wurde.“ (Vorbemerkung von Viktor Kalinke im Bd. 1)

Shir ha-shirim – Das Lied der Lieder

Salomo (verschriftlicht 8.-5. Jh. v. Chr.)

Meine Freundin ist schön. 
Als ich aufstand, ist sie gegangen… 
Weckt sie nicht, bis sie (selber) sich regt
ich habe mich in ihren Schatten gelegt…

… so singt Dieter Maschine Birr von den Pudhys im legendären DEFA-Film Die Legende von Paul und Paula (1973): Wenn ein Mensch lebt …

Und der nicht minder legendäre Rabbi Aqiba, Vater der mündlichen Torah und der Mishna, beendet die leidige Diskussion über einen der am meisten missverstandenen Texte des Buches der Bücher (der Bibel) – ob nämlich einer, der die Rolle dieser Schrift berühre, seine Hände verunreinige:
"Die ganze Welt, von Anbeginn bis jetzt, wiegt nicht den Tag auf, an dem Israel das Lied der Lieder empfing. Denn alle Schriften sind heilig, aber das Lied der Lieder (shir ha-shirim) ist das heiligste (qodesh qodashim)."

Die unzweideutigen Liebes-Lieder hat man dem weisesten und aufgrund seiner Frauengeschichten etwa mit der schwarzen Königin von Saba – auf deren gemeinsamen Sohn sich die Lion-Mythologie der Rastas gründet – heidnischsten unter den israelischen Königen Salomo angedichtet …

1996 erscheint Das Hohelied Salomos in einer zweisprachigen Ausgabe von Klaus Reichert – und die Sammlung alttestamentarischer Liebes- und Hochzeitslieder mit einem Mal irdisch unverblümt:
„Der Text, der sich in den Übersetzungen so glatt und wie aus einem Atem liest, ist also eher ein vielstimmiger Klangkörper, mit Echos von etwas, dessen Herkunft verloren ist. …
Ich habe versucht, die alten Buchstaben mit den Sinnen neu zu lesen.“

Nüchterne Ekstase – Eros und Spiritualität
Am 02.02.2010 gehe ich nahe der Frauenkirche ins Kathedralforum zu einem Vortrag von Prof. Dr. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz im Rahmen der Ringvorlesung Spiritualität.
Sie verweist anhand des Hoheliedes auf die verschiedenen geistigen Begriffe und damit verbundenen körperlichen Handlungen im alten griechischen Verständnis: eros – die Liebe mit körperlicher Erfüllung – agape (hebr. ahaba) – die schmerzliche Liebe, in der die Sehnsucht nach dem körperlichen Vollzug unerfüllt bleibt & philia – die Freundschaft, die einen gemeinsamen Austausch ohne körperliches Begehren hat.

Im Anschluss kaufe ich mir ihr Eros, Glück, Tod – und andere Versuche im christlichen Denken, in dem sie 2001 die nachvollziehbare Spur gelegt hat …

Und lese im Vorwort, was Rilke in einem Brief von 1921 geschrieben hat:

„Nehme jeder des Moments wahr, da der Verkehr mit Gott sich ihm in unbeschreiblicher Hinreißung eröffnet; oder knüpfe er, in gründlicher Besinnung, an einen solchen oft unscheinbaren Augenblick an, da er zuerst, unabhängig von den Einflüssen seiner Umgebung, ja oft im Widerspruch zu ihr, von Gott ergriffen war … aber die Sanftheit dieses Zwangs ist so ungemein, dass die Meisten, von ausdrücklichen Realitäten bedrängt, ihm keinen Wert beilegen“.

Vom 29.2.-19.3.2014 wollen einige Verse der Kapitel I-IV von mir geschmeckt werden:

I.5-6
ICH BIN schwarz
und schön –

schau mich nicht so an! –
erspäht hat mich der sonne strahl

II.4-6
er nahm mich
mit ins weinhaus –
bet haj-jájin

sein zeichen über mir:
LIEBE – ’ahavah

er er-füllt mich
mit wein
erquickt mich mit äpfeln –
denn toll 
bin ich 
voll liebe

seine linke
unter meinem kopf
und seine rechte
herzt mich …

Omar Chajjam

(1048 - 1123)

Rubaijat – DER RUBINROTE KELCH

1995 erscheint in deutscher Sprache ein Buch des berühmten (Autobiographie-) Yogis Paramahamsa Yogananda (1893-1952) über einen durch die Übersetzungen von Edward Fitzgerald im englischsprachigen Raum bekannten persischen Dichter: Die spirituelle Lehre der Rubaijat von Omar Chajjam, das der amerikanische Autor J. Donald Walters erst 44 Jahre nachdem ihn Yogananda darum gebeten hatte für würdig befand herauszugeben.

Der Zeltmacher aus dem nordwestpersischen Nischapur (im heutigen Iran) ist Mathematiker, Astronom (der den muslimischen Kalender reformierte) & Dichter in einem.

Seine Rubaijat werden im Westen meist als Lobgesang auf das sinnliche Leben verstanden.
Im Osten werden sie als spirituelles Sinnbild angesehen, das es freilich zu enthüllen gilt.

So besingt er den Wein der Vereinigung:

Iram* mit seinem Duft von Rosen ist vergangen,
Verborgen Dschemschids** Kelch mit sieben Ringen. 
Doch trägt die Rebe noch ihr Rubinrot,
Und blüht ein Garten noch am Fluss.

* der sinnenhafte Verstand
** ein legendärer König der Urzeit – das innere Selbst

(5. Rubai in der Übertragung von Sibylle Herzog nach der englischen Übersetzung von Edward Fitzgerald 1937-44 in Inner Culture Magazin)

Der deutsche Orientalist und Diplomat Friedrich Rosen ist so fasziniert von diesen Vierzeilern, dass er sie auf seinen langen Karawanenwegen immer bei sich trägt – und für sich überträgt. Bis er sie Freunden vorträgt – und durch deren Interesse angeregt wird sie zu veröffentlichen:

Was dir die Zukunft bringt, das frage nicht,
Und die vergang’ne Zeit beklage nicht.
Allein das Bargeld „Gegenwart“ hat Wert,
Nach dem, was war und sein wird, frage nicht.

(Rubai 138. – 1909/2008 im marixverlag neu aufgelegt)

2005 werden die Bilder seines Lebens wieder lebendig: The Keeper – Die Legende von Omar Khayyam


Farīduddīn Attār

(um 1136 - um 1230)

Vogelgespräche (Mantiq ut-tair) – auf dem Weg zu dem EINEN

Wege gehen durch Raum und Zeit …

1988 erscheint die deutsche Erstveröffentlichung der Vogelgespräche (Mantiq ut-tair) als deutsche Übersetzung der englischen Übertragung von C. S. Nott (1954) – die wiederum rendered into English from the literal and complete translation of Garcin de Tassy eine französische Erstübersetzung (von 1857) zur Vorlage hat.

Attār ist selbst – durch die Brille des Verstandes gesehen – ein heiliger Narr, ein komischer Vogel.
Oder eben – kosmisch

In Geschichten aus dem Land der Sufis (1994 von den in Chicago lebenden praktizierenden Sufis M. Bayat und M. A. Jamnia niedergeschrieben – 1998 aus dem Amerikanischen übersetzt von Franziska Espinoza) werden seine Worte überliefert:

Die Welt ist wie eine Karawanserei mit zwei Türen:
durch die eine tritt man ein, durch die andere geht man hinaus.
Besinnungslos bist du in Schlaf versunken und weißt von nichts –
du wirst sterben, ob du es willst oder nicht.
Ob Bettler oder König …
wohl oder übel musst du dich am Ende von allem trennen, was du besitzt …

Er kleidet die Stationen des spirituellen Pfades in Fabeln, Scherze und Geschichten …

Rūmī sagt über ihn:
„Attār durchquerte die sieben Städte der Liebe, und wir sind nur bis zur nächsten Straßenecke gekommen.“

Farīd ud-Dīn Abu Hamid Muhammad ben Ibrahim (Abraham) kommt in Nischapur, der Heimatstadt Omar Chajjams (des Zeltmachers), in Nordwestpersien (heute: Iran) zur Welt und schreibt ebenfalls unter dem Namen seines vom Vater weitergegebenen Berufes: Attār – der Drogist bzw. Parfümhändler …

Er ist ein wohlhabender Mann, der über 30 Leute beschäftigt …
Bis eines Tages ein Derwisch (von persisch dar – Tür: Bettler, die von Tür zu Tür gehen und in verschiedenen Orden organisiert sind, die die Lehren der Sufis befolgen) in seine Drogerie reinschaut, die süßen Parfüms riecht, einen Seufzer ausstößt und ihn mit Tränen in den Augen ansieht. Attār denkt, der Bettler wolle nur Mitleid erregen und schickt ihn fort. Da erwidert der Derwisch:

„Ja, es gibt nichts, was mich hindert, deine Türschwelle zu verlassen und der Welt Lebewohl zu sagen! Doch ich frage mich gerade, wie du jemals deine Gedanken dem Tod zuwenden kannst und all diesem weltlichen Reichtum entsagen?“

Attār fühlt sich gekränkt und erwidert wütend:

„Ich werde sterben wie du selbst. – Doch ich habe nichts, worüber ich mich sorgen müsste. Die Khirka (aus Stücken und Flicken zusammengesetzter Umhang der Derwische – und Sufi kommt von suf – Wolle) auf meinem Leib und die Kashkul (Bettelschale) sind alles, was ich besitze. So willst du immer noch behaupten, du wirst auf dieselbe Art sterben wie ich? – Natürlich.“

Da ruft der Derwisch den Namen Gottes, und mit seiner Kashkul als Kissen legt er sich hin und stirbt …

Attār verlässt den Laden seines Vaters und begibt sich auf eine Reise …
die ihn erst 39 Jahre später wieder in seine Heimatstadt zurückführen wird, wo er sein gesammeltes Wissen niederschreibt.

Und wie stirbt Attār selbst?!

Eines Tages wird er von den mongolischen Invasoren gefangengenommen. Als einer ihn in Ketten herumschleppt, kommt jemand und bietet dem Soldaten tausend Silberstücke für Attār. Attār rät ihm, nicht auf den Handel einzugehen, da der Preis nicht stimme. Der Soldat folgt seinem Rat und weigert sich, ihn zu verkaufen. Eine Weile später kommt ein anderer und bietet einen Sack voll Stroh für Attār. Attār sagt zu dem Soldaten: „Verkaufe mich jetzt, denn dies ist mein Preis; mehr bin ich nicht wert.“ Als der Soldat das hört, gerät er in Wut und schlägt ihm den Kopf ab …

Vogelgespräche – oder: Die Versammlung der Vögel

Die Vögel beschließen, wie die Menschen ihren König zu finden. Doch wer kann ihnen sagen, wer das ist und wo er wohnt? Hudhud, der weise Wiedehopf, der schon der Bote Salomos zu Bilkis, der Königin von Saba, gewesen ist, tritt hervor. Er sagt ihnen, der König, nach dem sie suchen, heiße Sīmurgh – der große Vogel. Er soll die Gabe der Sprache besitzen und seine Federn magische Fähigkeiten haben (im hinduistischen Mahābhārata ist es Garuda, der Adler, auf dem Gott Vishnu reitet) und lebe versteckt auf dem Berg Kaf – eine Gebirgskette, die die Erde umgibt (verortet als Elbrus im Kaukasus). Doch sei die Reise zum König ein schwieriges und gefährliches Unterfangen.

Da kommen die ersten Vögel mit Ausreden und Ausflüchten, warum überhaupt, warum gerade ich und weshalb vielleicht doch besser nicht …
Der Wiedehopf ist unerbittlich und konfrontiert jeden mit seiner Meinung und der Wahrheit des Lebens – dass alles vergänglich ist: warum am Tropf der Sterblichkeit hängen, wenn du den ganzen Ozean der Unsterblichkeit gewinnen kannst …

Nun bitten die Vögel den Wiedehopf inständig, sie zu führen. Er erklärt sich einverstanden und erläutert ihnen, sie müssten sieben Täler durchqueren, um zu der Spitze des Berges zu gelangen; und wenn sie das Tal des Todes passiert hätten, würden sie den Palast des Königs betreten …

Wenn ihr das erste Tal, das Tal der Suche, betretet, werden euch hundert Schwierigkeiten entgegentreten; ihr werdet hundert Prüfungen erdulden müssen. Dort ist der Papagei des Himmels nicht mehr als eine Fliege. Ihr werdet mehrere Jahre dort verbringen müssen, euch großen Mühen unterziehen und euren Zustand ändern müssen. Ihr werdet alles aufgeben müssen, was euch wertvoll erschien, und alles, was ihr besitzt, für nichts erachten. Wenn ihr dann sicher seid, dass ihr nichts besitzt, werdet ihr euch von allem lösen müssen, was existiert. Dann wird euer Herz vor der Verdammnis bewahrt werden, ihr werdet das reine Licht der Göttlichen Majestät erblicken, und eure wahren Wünsche werden sich bis ins Unendliche vervielfachen. Wer hier Eingang findet, den wird eine solche Sehnsucht erfüllen, dass er sich ganz der Suche hingibt, die dieses Tal symbolisiert. Er wird seinen Mundschenk um einen Schluck Wein bitten, und wenn er ihn getrunken hat, wird ihm nichts mehr wichtig sein außer der Verfolgung seines wahren Ziels. Dann wird er die Drachen, die Wächter des Tores, die ihn zu verschlingen suchen, nicht mehr fürchten …

Tausende Vögel treten die Reise an – an ihrem Ende sind noch 30 übrig …
Und der König – Sīmurgh? Nun – das ist wahrhaftig eine faustdicke Überraschung!

1973 steigen wieder welche auf den heiligen Berg: La Sacra Montaña – in einem Film von Alejandro Jodorowsky, der später von Mexiko nach Paris geht, um in einem Café Tarot zu legen …


Dschelāluddīn Rūmī

(1207-73)

WER IST DA? DU!

2006 India. Ich halte ein kleines Büchlein mit Gedichten eines persischen Mystikers in den Händen: Whispers of the Beloved (1999). Und einen dicken Wälzer: The Essential Rumi von Coleman Barks (1995/2004).

Vom 13.ten ins 21.te Jahrhundert – ein Zeit-Sprung zwischen Baum und Borke:

FEIN FÜR UNS

Wir haben ein riesiges Fass mit Wein, aber keine Becher.
Das ist fein für uns. Jeden Morgen
leuchten wir und am Abend leuchten wir wieder.

Sie sagen, dass es für uns keine Zukunft gibt. Sie haben recht.
Was fein für uns ist.

(12/12/2013)

Am 30.9.1207 wird Rūmī in Balkh (im heutigen Afghanistan) unweit der Seidenstraße geboren.
1219 flieht seine Familie vor den Mongolen und lässt sich 1228 schließlich in Konya (in der heutigen Türkei) nieder.
Auf der Reise sollen Vater und Sohn in Nischapur (im heutigen Iran) dem greisen Dichter Attār begegnet sein, der gesagt haben soll: „Da fließt ein Fluss, der einen ganzen Ozean hinter sich zieht!“
Sein Vater erhält in Konya beim regierenden Sultan eine Stelle als Prediger und Theologieprofessor und als der nach zwei Jahren stirbt, übernimmt er dieses Amt.
Und wird ein anerkannter Gelehrter und geistiger Führer Hunderter von Schülern.

1244 – mit 37 Jahren schlägt mitten in sein geregeltes Leben der Blitz ein –
er begegnet Schams – der Sonne aus Tabris, einem über 60jährigen Wanderderwisch.
Er zieht sich mit ihm aus der Öffentlichkeit zurück, vernachlässigt seine Familie und seine Schüler –
und legt das Gewand eines Sufis an:

Ich brannte, ich verbrannte, ich verbrannte …

Rūmīs Sohn, Sultan Walad, schreibt später über seinen Vater:

„Nach langen Jahren des Wartens sah er Gott und erkannte die Geheimnisse des Universums.
Er sah, was man nicht sehen konnte; er hörte, was niemand zuvor vernommen hatte.
Shams enthüllte ihm den Ozean der Liebe – und der Maulana tauchte ein und verschwand darin.“

Maulana (türkisch Mevlana) – unser Herr: die Anrede für den spirituellen Meister.

Nach 2 Jahren verschwindet Schams – spurlos …

… und Rūmī, der mystische Dichter, der ganz in der sehnsüchtigen göttlichen Liebe zu Schams aufgeht, wird geboren …

1260 im Lied der Rohrflöte – die einleitenden Verse des großen Epos der Gleichnisse Mathnawi in persischer Sprache:

Hör die Geschichte die das Schilfrohr erzählt
vom Getrennt-Sein

Jeder Durst wird gestillt außer
der dieses Fisches – des Mystikers
der in einem unendlichen Meer aus Gnade schwimmt
sich noch irgendwie danach sehnend!

(16+17/12/2013)

… und Rūmī, der kosmische Tänzer, begründet den Orden der wirbelnden Derwische (Mevlevis), der noch heute in Konya praktiziert …

Am 17.12.1273 verlässt er seine sterbliche Hülle:
„Wenn ich tot bin und ihr kommt an mein Grab, vergesst nicht, Trommeln und Flöten mitzubringen, denn bei Gottes Festmahl sind Trauernde fehl am Platz.“


Vijñāna Bhairava Tantra – Die Erfahrung des Bewusstseins

(< 8. Jh.)

Am 18.3.2005 halte ich das Vijñāna Bhairava: Das göttliche Bewusstsein – 112 Weisen der mystischen Erfahrung im Shivaismus von Kashmir von Bettina Bäumer (erschienen 2003) in den Händen, die aus Wien stammt und in Varanasi lebt – neben dem Inder Jaideva Singh und der Französin Lilian Silburn eine der bekanntesten Schüler des letzten großen Meisters des Kashmir-Shivaismus Swami Lakshman Joo (gestorben 1992).

Vom 19.3.-2.4.2006 fahre ich zum Yoga des Integralen Lernens bei Shiñ Shiva Svayambhu Bhairavanath, einem Schüler des bulgarischen Meisters der Weißen Brüderschaft Michaël Aïvanhov, in den europäischen Himalaya der Alpen – ins schweizerische Beatenberg, wo wir uns über dem Thunersee im Angesicht von Eiger – Mönch & Jungfrau mit Pandit (dem Schriftgelehrten) Makhan Lal Kukiloo bemühen, die Śiva-Sūtras zu studieren.

Vom 2.-8.7. erfahre ich wieder in der Schweiz – diesmal auf der Schweibenalp – bei einem Tantra-Seminar wie der französischsprachige Daniel Odier, Schüler der legendären kashmirischen Yogini Lalita Devi & Parvathi Nanda Nath, eine Yogini aus dem indischen Punjab, die in Amerika lebt, Tandava, den Tanz von Shiva & Shakti celebrieren.

Und vom 18.9.-30.10. weile ich in Nord-Indien: und sehe eines hellerlichten Tages den Shivling Peak vor mir, nachts das sternenklare Himmelszelt über dem entrückten Himalaya – und stehe am Morgen an der Quelle und springe vom Fels in das heilige Wasser der Ganga rein: Gomukh, das Kuhmaul …

Ich komme zurück mit dem Vijñāna Bhairava – The Practice of Centring Awareness von Swami Lakshman Joo with commentary and verses translated from Sanskrit by Bettina Bäumer (2002) und dem Vijñānabhairava or Divine Consciousness – A Treasury of 112 Types of Yoga von Jaideva Singh im Gepäck.

2008 werden sämtliche englischen Übersetzungen der 4 großen Schriften des Kashmir-Shivaismus von Jaideva Singh – nach dem Pratyabhijñāhṛdayam (1963), den Śiva-Sūtras und dem Vijñānabhairava (beide 1979) noch die Spanda Kārikās (1980) – von Gabriele Schindler ins Deutsche übersetzt.

Vom 2.-7.7.2010 gibt es in der Yogaschule Dresden die einmalige Gelegenheit das Pratyabhijñāhṛdayam (Das Herz des Wiedererkennens) mit Bettina Bäumer zu studieren.

Und am 1.1.2011 höre ich das erste Mal eine innere Stimme … I hear the heart of the lover over’n’over the ocean's shining bright from happy new year de-light to two after mid-night … step by step diese dicht-getränkten Worte mit meinem löchrigen Gefäß über den Fluss zu über-tragen – um etwas von diesen all-umfassenden (all-täglichen bis ohn-glaublichen) destillierten Erfahrungen (vijñāna) zu erkennen (jñā) …
bis zum 28.12.2012 werden es 33 Meditationen – von den 112 die zählen.

Im Vor-Spiel (pro-logos) heißt es:

14.
dieser zustand ist frei von raum zeit und form (dik-kāla-kala-nonmuktā)
er ist nicht bestimmt von orten (deśa) oder worten (uddeśa)
die höchste wirklichkeit (parama-artha) kann weder ausgesprochen (aśakyā)
noch beschrieben (akathyā) werden

20.-21.
wenn du in den zustand der ŚAKTI-ENERGIE eintrittst
und in der meditation realisierst dass es keine unterscheidung mehr gibt
dann wirst du EINS mit dem ŚIVA-BEWUSSTSEIN –
denn Śakti wird das eingangstor oder gesicht (mukha) Śivas genannt

wie teile des raumes durch das licht einer lampe
oder die strahlen der sonne erkannt werden (jñāyate)
so erkennst du Śiva durch Śakti meine liebe (priye)

Delikat – denn in den agamas bzw. tantras machen es sich die beiden göttlichen Wesen (deva & devi) zum Liebes-Spiel, einer den anderen zu unterweisen – eine schöne Form des Wiedererkennens (pratyabhi-jñā) …


Lalla

(1320-92)

Vakhs – DIE GLUTVOLLE REDE die manches Mütchen erregt

Im Sommer 2006 lerne ich Daniel Odier kennen – den französischsprachigen Schweizer Autor der Diva, der 1968 nach Indien aufbricht, Schüler von Kalu Rinpoche wird und einige Jahre später im Himalaya der kaschmirischen Yogini Lalita Devi begegnet – was er 1996 in einem Buch schildert: Tantra – Eintauchen in die absolute Liebe (2005).

Er lehrt Tandava – den Tanz von Shiva & Shakti.

Und erzählt verrückte Geschichten von einer kaschmirischen Mystikerin – 2004 in einem Buch auf deutsch erschienen.

Lalla wird in der Nähe der Haupstadt Srinagar in der Familie eines Pandit (Gelehrten) geboren und erfährt eine offene und glückliche Kindheit.
Mit 12 Jahren verheiratet man sie – unglücklich.
Ihr eifersüchtiger Ehemann stirbt im Kampf mit ihrem Schneeleoparden – der sie seit ihrer Kindheit begleitet …

So will es die Legende …

Ihr Shaiva-Guru der Siddha (Vollkommene Meister) Srikantha verweigert ihr den brennend gewünschten Unterricht.

Doch sie kann sich mit ihrer wahnsinnigen Weisheit durchsetzen – und wird zu einer Digambara, die nackt umherwandert …

Die Sufis sind entsetzt: das ist allein uns Männern vorbehalten!Männer? …
Als ein Weiser kommt – bedeckt sie sich …

Ihre spirituellen Erfahrungen lässt sie in ihre Vakhs (Reden) einfließen, die in Kaschmiri einige eingestreute Sanskrit-Begriffe besitzen – auf der Suche nach dem Original bin ich im web fündig geworden:

weinen weinen werde ich um dich oh verstand (citta)
der weltenhut hat dich in seinem zauber-schein (moha) gefangen
denn du bist ihm auf den leim gegangen –
wenn du tot bist
ist selbst der schatten der dinge vergangen
warum hast du dann vergessen wo dein wahres selbst (sva-rupa) ist

(MZ 17/09/2012 nach englischen Übertragungen)

Sikhs & Sufis, Muslime & Hindus rezitieren noch heute ihre glutvollen Gesänge …

HAIKU drei zeilen +

hidden-see-haiku


haiku sind kurz
konkret und –


eine hand hebt ab
hält an und –
haut auf den tisch

merci Quentin!!!

17/12/2018 HIDDEN SEE HAIKU
erste eigene edition von 15 postkarten mit bildern von Dirk Heerklotz

5/2018 PING-PONG-POESIE
zum ersten mal veröffentlicht in den DRESDNER MINIATUREN

2/2/2018 WIEDER EIN JAHR
mit Volker Sielaff, Migiwa Shimizu, Axel Kabbe und Elke Werner vom TEERAUSCH
im chinesischen pavillon

19/1/2017 HAIKU-KREIS
bis mitte des jahres ist donnerstags DICHTER TAG
in der bibliothek der freien waldorfschule

24/1/2014 WINTER LICHTER
zum ersten mal ertönen die haiku: mit Migiwa Shimizu auf japanisch
und Axel Kabbe auf der shakuhachi-flöte

4/1/2014 LAUSCH-RAUSCH
in einer nacht in tschechien werden bis zur morgendämmerung 11 haiku geboren

18/11/2013 UR-SPRUNG
springe dem frosch hinter-her in den ALTEN TEICH von Basho



2013/14 ROSINCHEN Zweisprachige Lyrik-Reihe
bühne Wanne Dresden

IV 21.2.2014 EVA EROS ENGEL Ekstase und Innerlichkeit (Else Lasker-Schüler & wir)
III 24.1.2014 WINTER LICHTER Haiku (japanisch)
II 20.12.2013 WER IST DA? DU! der Gesang der Rohrflöte (arabisch-persische Mystik)
I 22.11.2013 ICH IST EIN ANDERER Wort-Schöpfung - Bilder-Flut - No(n)-Sens (französisch)

11.11.11 FΛTRΛSIΛ gereimter unSinn +

FΛTRΛSIΛ


Fatrasien sind 11 gereimte Verse
von lat. farcire vollstopfen + Fantasie verballhornt

2010 erscheinen Fatrasien. Absurde Poesie des Mittelalters aus dem Altfranzösischen übertragen von Ralph Dutli (* 1954)

5.8.2011 gekauft in Richters Buchhandlung 

recherchiere im Internet & rufe ihn an: ... ob es auch auf Deutsch Fatrasien gebe? - er habe es versucht, aber „es gehe nicht“! …

5.-13.9.2011 entstehen 11 Fatrasien in einem andalusischen Bergdorf

11.11.11 11:11
erschallt vom BunteRepublikNeustadt-Balkon die erste: 
SCHLUCK AUF - FATRASIEN!!! > TAnzTOnTExt-performance 


geh den weg der kleinen schnecke...

- seit 1990 Lyrik und Prosa

- Übersetzung von Lyrik

Federico García Lorca (2008) Arseni Tarkowski (seit 2013) Haiku von Basho / Issa / Tetsuo Shimizu mit Migiwa Shimizu (2013) Jan Skácel mit Eva Cello (2019) Marina Zwetajewa (seit 2019) Radek Fridrich (2021) Renata Bulvová (2022) Emily Dickinson (2023) 
Puja Sedaghat (پویا صداقت) mit dem in Dresden lebenden iranischen Dichter (2023)

aus SHIR HA-SHIRIM Das Lied der Lieder (2014) das sumerische Epos INANNA’s Gang in die Unterwelt (2016) die Ballade THE LADY OF SHALOTT (2017/18) aus der Edda YGGDRASIL der Weltenbaum (2019)


- Zweisprachige Lyrik und Prosa (unveröffentlicht)

ùTópia (deutsch und teilweise russisch) (08/2018)
němec WEISSES WEISSES WASSER (6.9.2018) eine Ballade von der Elbe
übersetzt ins Tschechische von Přemysla Klobouková VEDE VODA VEDE (05/2019)


- Veröffentlichungen von Lyrik und Prosa

PING-PONG-POESIE Haibun und Haikus in den DRESDNER MINIATUREN (05/2018)

HIDDEN SEE HAIKU eigene Postkarten-Edition mit Malerei von Dirk Heerklotz (17.12.2018)

PRIMERA VUELTA AL MUNDO EN EL DIA 6 DE SEPTIEMBRE 1522
in: WELTBETRACHTER Neue Lyrik. Eine Anthologie aus Sachsen (2010-20)
hg. von Róža Domašcyna und Axel Helbig (poetenladenverlag Leipzig) (18.7.2020)